Siebentes Kapitel
"Wir wollen dort den Horaz zusammen lesen", warf der Fremdling ein, "wie wir es vor Zeiten in den Bädern von Aix
taten ..."
In seinen Essays erwähnt Montaigne mehrmals auch die Dichtungen von Horaz (65 - 8 v. Chr.), allerdings keinen Aufenthalt in Aix-en-Provence.
Auch auf seiner Badereise 1580/81, beschrieben im "Tagebuch einer Badereise" (veröffentlicht 1774), hat er Aix
nicht besucht.
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"... sie werden, um sich in der Tugend zu stärken, das Buch Tobiä zusammen lesen!"
Das zu den Apokryphen gehörende, von der Bibel 'abgesonderte' Buch Tobiae erzählt die Geschichten des gottgläubigen Tobit
und der gottgläubigen Sara, die dank ihrer Frömmigkeit nach Überwindung verschiedener Widrigkeiten Mann und Frau werden.
Montaignes Bemerkung bezieht sich ironisch auf das viel näher liegende irdische Begehren des jungen Paares.
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"Und, nehmt es mir nicht übel, junger Mann, Ihr Hugenotten verfehlt Euch gegen den ersten Satz der Lebensweisheit: dass
man das Volk, unter dem man wohnt, nicht durch Missachtung seiner Sitten beleidigen darf."
Im ersten Band der Essays schreibt Montaigne:
"Der Weise, meine ich, sollte sich zwar innerlich aus dem Menschengewühl zurückziehn, ... nach außen hin sich
aber voll und ganz an die landläufigen Formen und Normen halten. ... Denn die Regel der Regeln, das Gesetz der Gesetze besagt,
daß jeder diejenigen des Landes einzuhalten hat, in dem er lebt."
Dass Meyer selbst diese Belehrung nicht ganz gelten lassen will, lässt sich an zwei Stellen des 'Amuletts' erkennen. Zunächst erklärt
Gasparde, dass es für Schadau wichtig sei, einen hugenottischen Schneider zu haben, da er ohne diese Art Kleidung den unsittlichen
Anträgen der Hoffräuleins schutzlos ausgeliefert wäre (siehe
4. KAPITEL),
und später erzählt sie, dass sie von den Katholiken als 'Heuchlerin' bezeichnet werde, wenn sie auf
die hugenottische Kleidung verzichte (siehe
ABSATZ 18). Montaignes Belehrung,
so bedenkenswert sie wirkt, soll offenbar nur bedingt für richtig gehalten werden.