Erstes Kapitel
Heute am vierzehnten März 1611 ritt ich von meinem Sitze am Bieler See hinüber nach Courtion zu dem alten Boccard, den
Handel um eine mir gehörige mit Eichen und Buchen bestandene Halde in der Nähe von Münchweiler abzuschließen ...
Die Ortsangaben beziehen sich auf die Gegend südlich des Bieler Sees, wo sowohl Courtion wie Münchweiler (heute Münchenwiler) zu
finden sind. Die Lage des Landsitzes wird zwar nicht genauer bestimmt, doch ergibt sich aus zwei weiteren Angaben, dass die Burg
Erlach am Südende des Sees dafür Pate gestanden haben könnte. Im zweiten Kapitel heißt es, das Städtchen Biel (am Nordende des Bieler Sees)
liege von dem
Landsitz "kaum eine Stunde entfernt" (siehe
2. KAPITEL), und einer Richtungsangabe
im letzten Kapitel kann man entnehmen, dass dieser von einem benannten Aussichtspunkt (siehe
SCHAUPLÄTZE
zum 10. Kapitel) noch zu sehen ist. Beide Angaben verweisen auf das Südende des Bieler Sees, von wo es nach Courtion etwa 25 Kilometer sind,
d.h. ein Ritt von zwei bis drei Stunden.
Das ganz und gar Stimmige dieser Lokalisierung erklärt sich daraus, dass Meyer von Juni 1852 bis März 1853 in der Nervenheilanstalt
Préfargier (bei Neuchâtel) war und damals auch deren Umgebung kennengelernt hat. Dass er sie hier so positiv darstellt, wirft auch
auf seinen Aufenthalt in dieser Anstalt (siehe unter
ENTSTEHUNG) ein milderes Licht.
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Die Landschaft zwischen dem Bieler See und Courtion
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Burg Erlach am Südende des Bieler Sees
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Drittes Kapitel
Ich durchzog ohne nennenswerte Abenteuer die Freigrafschaft und Burgund, erreichte den Lauf der Seine und näherte mich eines Abends den
Türmen von Melun, die noch eine kleine Stunde entfernt liegen mochten ...
Vom Bieler See bis nach Paris sind es um die 500 Kilometer. Das Freigrafentum Burgund (auch Franche Comté) gehörte zum Haus Habsburg
(Österreich) und wurde erst 1678 französisch.
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Die politischen Grenzen im 16. Jahrhundert
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Viertes Kapitel
Am zweiten Abende nach diesem Zusammentreffen ritt ich durch das Tor St. Honoré in Paris ein ...
Das Tor St. Honoré war ein Tor im Westen der Stadt in der Nähe des Louvre. Dass Schadau von dieser Seite her Paris
erreicht, ist eigentlich unrichtig, er müsste eher von Süden oder Osten in die Stadt kommen.
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Matthias Merian d.Ä.: Paris um 1615
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Am achten Tage machte ich mich mit pochendem Herzen auf den Weg nach der Wohnung des Admirals, die mir unfern vom Louvre in einer engen
Straße gewiesen wurde.
Gaspard de Coligny wohnte unweit des Louvre in der Rue de Rivoli.
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Louvre und Rue de Rivoli um 1615
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... beschloss ich eilig in meine Herberge zurückzukehren und dann auf der Insel St. Louis meine Bekannten von den drei Lilien aufzusuchen.
Als ich eine Stunde später das hohe schmale Haus des Parlamentrats betrat, das, dicht an der Brücke St. Michel gelegen, auf der
einen Seite in die Wellen der Seine, auf der andern über eine Seitengasse hinweg in die gotischen Fenster einer kleinen Kirche blickte ...
Meyer meint hier ersichtlich nicht die Insel St. Louis, die als östlichere der beiden (früher drei) Seine-Inseln damals noch unbesiedelt war, sondern
die Île de la Cité mit der Kirche Notre Dame. An der Brücke St. Michel steht seit dem 13. Jahrhundert die Kirche Sainte Chapelle, die allerdings
so groß ist, dass Meyer an sie kaum gedacht haben kann. Vielleicht wusste er von der kleinen Kapelle, die damals eingebaut in einer
Häuserreihe in der Nähe von Sainte Chapelle stand.
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Île de la Cité mit der Brücke St. Michel
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Die Kapelle an der Brücke St. Michel
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Fünftes Kapitel
Bald betraten wir das französische Königsschloss, das damals zur Hälfte aus einem finstern mittelalterlichen Kastell,
zur andern Hälfte aus einem neuen prächtigen Palast bestand, den die Medizäerin hatte aufführen lassen.
Der Louvre war ursprünglich die Hofburg der französischen Könige. Der ältere Teil sah nach einer Darstellung aus
dem 15. Jahrhundert so aus:
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Der Louvre in einer Darstellung von 1415
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Von 1546 an ließ Katharina von Medici den ersten Flügel des Hof-Carrées errichten, das allerdings erst im frühen 18. Jahrhundert
fertiggestellt wurde, und etwa 500 Meter entfernt den Palast der Tuilerien, der hier gemeint ist.
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Das Areal des Louvre im Merian-Plan von 1615
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Den unter Katharina von Medici erbauten Tuilerienpalast hat Conrad Ferdinand Meyer 1857 in Paris noch kennengelernt.
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Blick auf den Tuilerien-Palast um 1850
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Eine Bildersammlung enthielt der Louvre schon im 17. Jahrhundert, doch wurde sie erst nach der Revolution von 1789 öffentlich
zugänglich. Der Ausbau des Louvre setzte sich bis ins späte 19. Jahrhundert fort und machte aus dem vormaligen
Königsschloss eine der größten Kunstsammlungen der Welt. Als Residenz genutzt wurde nur noch der Palast der
Tuilerien, erst von Napoleon und dann von Napoleon III. In der Revolution von 1871 wurde er jedoch zerstört und einige Jahre
später abgerissen.
Sechstes Kapitel
Der Graf wird sich mit dir schlagen, morgen bei Tagesanbruch vor dem Tore St. Michel.
Wir gingen schweigend durch die morgenstillen Gassen, während es leise zu regnen anfing, durchschnitten das Tor, das eben
geöffnet worden war ...
Das Tor St. Michel befand sich südlich der Seine am heutigen Palais du Luxembourg.
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Die Gegend um das Tor St. Michel um 1615
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Zehntes Kapitel
Zwei Wochen später, an einem frischen Herbstmorgen, ritt ich mit meinem jungen Weibe die letzte Höhe des Gebirgszuges
hinan, der die Freigrafschaft von dem neuenburgischen Gebiete trennt. ... Zu unseren Füßen leuchteten die Seen von Neuenburg,
Murten und Biel; weiter hin dehnte sich das frischgrüne Hochland von Fryburg ...
Angedeutet ist hier der Weg über den Schweizer Jura am Pass Vue des Alpes (1300 Meter). Auf der westlichen Seite lag die
damals zu Österreich gehörende Freigrafschaft Burgund (Franche Comté), östlich das
Fürstentum Neuenburg, das von 1707 bis 1857 zu Preußen gehörte, 1815 aber auch schon Kanton der Schweiz wurde.
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Die Landschaft um den Neunburger See
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Ich zeigte ihr links das in der Sonne blitzende Türmchen des Schlosses Chaumont.
Ein Schloss Chaumont gibt es in dieser Gegend nicht, doch heißt der Höhenzug bei Neuchâtel Chaumont. In der angegebenen
Richtung liegt das Schloss (oder die Burg) von Erlach am Südende des Bieler Sees, ein alter Grafensitz, der im 15. Jahrhundert eine
Landvogtei des Kantons Bern wurde.
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Burg Erlach
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