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[Abschnitt 3]
Sprung zu Abschnitt 3 Absatz 5 des Novellentextes ... und setzte sich an das aufgeschlagene Klavier. Sie hatte den 'Don Juan' aufs Tapet gelegt. ... und als die Melodie erklang: 'Du reizest mich vor allen; Zerlinchen, tanz mit mir', da glitten die kleinen Füße ...
Gemeint ist das Menuett aus der letzten Szene des ersten Aktes von Mozarts Oper "Don Giovanni " (1787): Da bravi, via, ballate. Im italienischen Original fordert Don Giovanni die von ihm begehrte Zerlina allerdings nur mit den Worten auf: 'Dein Tänzer bin ich, Zerlina, komm her.' ('Il tuo compagno io sono, Zerlina , vien pur qua ...'), und beginnt einen Contretanz mit ihr zu tanzen. Im 19. Jahrhundert wurde die Oper in Deutschland aber zumeist in Übersetzungen aufgeführt, in denen der Text so wie bei Storm lautete.

Eine Aufnahme mit dem Orchester der Academy of St. Martin in the Fields (Philips, 1991).
Weit mehr als nur mit diesem einen Element sieht Karin Tebben in einem Aufsatz aus dem Jahre 2004 Storms Novelle auf Mozarts Oper bezogen. Für sie ist die gesamte Handlung eine Nachbildung der Don-Giovanni-Thematik, nämlich der Erzähler Marx ein 'Don Juan in der Bürgerstube', der es wie jener auf das Verführen abgesehen hat, sich aus bürgerlicher Gehemmtheit jedoch nicht traut. Zu stützen versucht die Verfasserin das mit einigen weiteren Stellen aus dem deutschen Libretto, in denen sie Analogien zu Situationen der Novelle entdeckt. Nur: Eine Oper wie "Don Giovanni" mit anderen Liebeshandlungen in Verbindung zu bringen, wird immer gelingen, wobei in diesem Falle freilich noch nicht einmal belegt ist, dass Storm sich mit dem Operntext überhaupt beschäftigt hat.
Gänzlich uneinleuchtend und teilweise schon erschreckend sind aber die Folgerungen, die daraus gezogen werden. Der Erzähler Marx ein Don Juan, der bloß die Verführung Anne Lenes im Sinn hat, sich aber nicht an sie binden will? Anne Lene die 'Verkörperung eines sinnenfreudigen, verantwortungslosen Lebensstiles', von dem ihr Verehrer in den Abgrund gezogen zu werden fürchtet? Wer würde bei einer nur halbwegs verständigen Lektüre zu einem solchen Resultat kommen! Zwar trifft es zu, dass es in dieser Geschichte um eine Schuld geht, nämlich die Schuld des Erzählers, sich zu seiner Neigung nicht bekannt zu haben. Die erzwungene, auf nichts als das Menuett gestützte Verknüpfung mit Mozarts "Don Giovanni" beschädigt hier aber auch noch die Einsichten, die hinsichtlich der Problematik des Verhältnisses zwischen den beiden ansonsten Bestand haben könnten.
Benutzte Literatur: Tebben,  Don Juan in der Bürgerstube,
                  2004