[Dritter Teil]
Darum war das schöne wohlgemute junge Blut in jeder Weise gedemütigt und gehemmt und konnte am wenigsten der Hoffart anheimfallen.
Hoffart = Hochmut, Überheblichkeit. - Es ist den besonderen Frauen-Erfahrungen Kellers zuzuschreiben (siehe
unter
ENTSTEHUNG), wenn hier 'Hochmut' (Männern gegenüber) zu einer allgemein
weiblichen Eigenschaft erklärt wird. Nur ein vom Schicksal gedemütigtes Mädchen, so Kellers Vorstellung, bleibt davor bewahrt, sich
hoffärtig bzw. anmaßend zu verhalten.
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Dieser Gasthof bestand aber in einer trübseligen Winkelschenke ... welche die Seldwyler dem Manz verpachteten, da er noch einige hundert
Taler einzuziehen hatte.
einzuziehen hatte = von anderen zu erhalten hatte. Gemeint ist damit wohl die Summe, die Manz aus dem Verkauf von Haus und Hof
noch zusteht.
Sie verkauften ihm auch ein paar Fässchen angemachten Weines und das Wirtschaftsmobiliar, das aus einem Dutzend weißen
geringen Flaschen ... bestand
angemacht = gewürzt oder gesüßt, also kein reiner Wein.
geringe Flaschen = einfache, geringwertige Flaschen.
Überdies hing ein verdorrter Busch von Stechpalme über der Haustüre ...
Stechpalme = lat. Ilex, ein immergrüner Strauch oder Baum mit roten Beeren, dessen Zweige in Nordeuropa am
Palmsonntag aufgesteckt wurden, um an den Einzug Jesu in Jerusalem zu erinnern. Die Farben stehen
für Hoffnung und Liebe oder auch für Leben und Blut. Da sich die Stechpalme auch als Zimmerschmuck lange hält, zeigt der
verdorrte Busch die Verwahrlosung des Hauses und symbolisch das Hoffnungslose des Einzuges an.
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Sali schämte sich auch, aber er musste helfen und machte mit seinem Vater einen seltsamen Verlag in dem Gässchen, auf
welchem alsbald die Kinder der Falliten herumsprangen ...
Verlag = schweizerdeutsch für 'Unordnung', Gerümpelhaufen
Falliten = Bankrotteure, Gescheiterte
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Zu einem leinenen ungefärbten Landrock trug sie einen alten grünseidenen Spenser ...
Spenser = Spenzer, ein kurzes tailliertes Jäckchen mit Schoß.
... und das Glas oder den Teller mit gesalzenem Käse hinsetzend, sagte sie lächelnd: "So so? so soli! herrlich herrlich, ihr Herren!"
so soli = zu betonen wie 'sowieso', eine in der Schweiz verbreitete Floskel für 'gut so', 'in Ordnung' usw.