Erstes Kapitel
Es wird keinem an der Wiege gesungen, was künftig aus ihm wird, eine blinde Henne findet manchmal auch ein Korn, wer zuletzt lacht, lacht am besten, unverhofft kommt oft, der Mensch denkt und Gott lenkt ... an der Wiege gesungen = in Lessings 'Nathan dem Weisen' (1779) sagt Daja:
Auch mir ward's vor der Wiege nicht gesungen,
dass ich nur darum meinem Ehgemahl
nach Palästina folgen würd', um da
ein Judenmädchen zu erziehn. (I,6)
eine blinde Henne = seit dem 16. Jahrhundert belegte Redensart, meist als: 'Ein blindes Huhn findet auch 'mal ein Korn'.
wer zuletzt lacht = Sprichwort unbekannter Herkunft
unverhofft kommt oft = Sprichwort unbekannter Herkunft
der Mensch denkt = nach den 'Sprüchen Salomos': Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt (Kap.16,9).
Mit allen diesen Redensarten bringt der Taugenichts seinen Glauben an seinen 'guten Stern' zum Ausdruck, oder Eichendorff - als Autor - belegt mit ihnen, wie verbreitet die Einstellung des fröhlichen Gottvertrauens ist, die sich an ihm zeigt.
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"... ein Volkslied, gesungen vom Volk in freiem Feld und Wald, ist ein Alpenröslein auf der Alpe selbst - die Wunderhörner sind nur Herbarien -, ist die Seele der Nationalseele." Wunderhörner = "Des Knaben Wunderhorn", dreibändige Volkslieder-Sammlung von Achim von Arnim und Clemens Brentano, erschienen 1805-08. - Eichendorff mokiert sich hier einerseits über die Künstlichkeit solcher Sammlungen - Herbarien sind Sammlungen getrockneter Pflanzen -, und verspottet andererseits das pathetisch-sentimentale Getue um das Volkslied, das die Romantik mit sich gebracht hatte. Ihm ging es beim Volkslied nicht um das Volk, sondern um das von Fall zu Fall schöne Gedicht. Dass seine eigenen Gedichte zu 'Volksliedern' wurden, bestätigte ihn nur in seiner Überzeugung, dass es nicht auf das Volk, sondern auf die lyrische Qualität dabei ankam.
Zweites Kapitel
Es war mir nicht anders zumute, als da ich sonst in den alten Büchern bei meinem Vater von der schönen Magelone gelesen ... schöne Magelone = ein weit verbreiteter mittelalterlicher Sagenstoff von einer heimlichen Liebe, aus der eine Entführung wird, bei der das Paar sich aber verliert und sich erst nach langer Trennung wiederfindet. Für die Zeitgenossen war dies ein Hinweis auf Ludwig Tiecks "Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence" von 1795.
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Ja, sagt ich, komm nur her, du getreues Instrument! Unser Reich ist nicht von dieser Welt! "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", sagt Jesus zu Pilatus, als dieser ihn verhört (Johannes Kap. 18, 36). Wenn an die Stelle des himmlischen Jenseits hier die Musik tritt, hat das für die Romantik eine beispielhafte Bedeutung: die Kunst wird in dieser Zeit tatsächlich zu einer religiösen Offenbarung erhoben.
Sechstes Kapitel
Ich durfte nur sagen: "Tischchen, deck dich!" so standen auch schon herrliche Speisen, Reis, Wein, Melonen und Parmesankäse da. Das Märchen "Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack" hatten die Brüder Grimm durch ihre 'Kinder- und Hausmärchen' (1812-15) bekannt gemacht.
Siebentes Kapitel
Wenn ich ein Vöglein wär', / Ich wüsst' wohl, wovon ich sänge ... Variation auf das Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär und auch zwei Flügel hätt'", das schon in Johann Gottfried Herders "Volksliedern" (1778) zu finden ist.
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Darin saß die Heilige Jungfrau mit einem überaus schönen, freudigen und doch recht wehmütigen
Gesichte. Zu ihren Füßen auf einem Nestlein von Stroh lag das Jesuskind, sehr freundlich, aber mit großen,
ernsthaften Augen.
Anspielung auf die Malerei der 'Nazarener' (abgeleitet von Nazareth), eine ganze Gruppe von Malern, die in Rom im Stile
mittelalterlicher Tafelbilder Bibelszenen malten . Einer von ihnen war Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872), geboren in
Leipzig und seit 1818 in Rom. Eichendorff hat unzweifelhaft von dieser Malergruppe gewusst und sie hier gemeint.
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Schnorr von Carolsfeld: Die Heilige Familie
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"Habt Ihr die auch gemalt?" fragte ich den Maler. "Warum nicht gar!" erwiderte er, "die sind von den berühmten Meistern Leonardo da Vinci und Guido Reni ..." Die Maler Leonardo da Vinci (1452-1519) und Guido Reni (1575-1642) werden hier nur genannt, um den Taugenichts seine naive Gleichsetzung mit den 'Malern' Leonhard und Guido vornehmen zu lassen. An bestimmte Gemälde hat Eichendorff für sie sicherlich nicht gedacht.
Achtes Kapitel
" ... du rennst da mitten in das sinnreiche Tableau von der schönen Beschreibung hinein, welche
der selige Hoffmann, Seite 347 des 'Frauentaschenbuches für 1816', von dem schönsten Hummelschen Bilde gibt, das im
Herbst 1814 auf der Berliner Kunstausstellung zu sehen war!"
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Johann Erdmann Hummel: Gesellschaft in einer italienischen Locanda (1814)
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Die Überdeutlichkeit, mit der sich Eichendorff hier auf eine literarische Quelle - E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Die
Fermate" - bezieht, ist als sarkastischer Spott auf dessen Manier zu verstehen, sich immer wieder an reale Gegebenheiten
und Objekte anzulehnen. In diesem Falle erkennt ein Betrachter - ein Komponist - in dem Berliner Bild eine Situation aus seinem Leben wieder:
Zwei Sängerinnen, in die er einmal verliebt gewesen sei, die ihn aber zum Narren gehalten hätten, seien ihm nach langer
Zeit als eitle und zänkische Frauen wieder begegnet, nämlich in dieser italienischen Locanda, wo ein Dirigent ihnen durch
sein Ungeschick einen Triller abgeschnitten habe. Gleichwohl, so der Schluss des Erzählers, habe er diesen beiden Frauen viel zu verdanken, durch seine Liebe zu ihnen sei er zu seinen größten Kompositionen gelangt.
Eichendorff kannte das Bild selbst vermutlich gar nicht, sondern nimmt wohl nur die Beschreibung auf, die Hoffmann davon gibt. Der
Abbate dirigiert nicht mit einem Stöckchen, sondern mit einer Rolle, die Gitarristin zeigt keine 'blendend weißen Achseln', sondern
trägt die Schultern bedeckt, auf dem Tisch stehen nicht mehrere Weinflaschen u.a.
Zehntes Kapitel
... Wir bringen dir den Jungfernkranz / Mit veilchenblauer Seide ... Das war aus dem Freischützen.
Eichendorff zitiert den Text des Liedes aus dem Gedächtnis, so wie er ihn vermutlich aus einer von ihm selbst besuchten
Aufführung in Erinnerung hatte. Der 1821 in Berlin uraufgeführte "Freischütz" - durch und durch ein Werk der
Romantik - wurde damals rasch populär. Richtig lautet die Strophe:
Wir winden dir den Jungfernkranz
Mit veilchenblauer Seide.
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,
Zu Glück und Liebesfreude.
Schöner grüner,
Schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide,
Veilchenblaue Seide.
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Der Chor der Brautjungfern aus Carl Maria von Webers 'Freischütz' (Bruno Weil mit der Capella Coloniensis, DHM/BMG 2001)