Zur Wirkung allgemein

Der 'Taugenichts' ist nicht allein Eichendorffs bekanntestes Werk, sondern das einzige, das von seinen Erzählwerken
überhaupt wirklich bekannt geworden ist. Schon zu seinen Lebzeiten erschien es in drei verschiedenen
Ausgaben und von 1846 an auch illustriert. In dieser Ausgabe erreichte es bis 1888 - dem Ende der Schutzfrist
dreißig Jahre nach seinem Tod - sechzehn Auflagen. Die ganz große Verbreitung setzte aber erst
danach ein. Noch im 19. Jahrhundert kam die Novelle in mehreren prächtig ausgestatteten Großformat-Ausgaben
heraus, wurde 1910 in Reclams Universalbibliothek aufgenommen und war bis 1925 schon in rund 100 verschiedenen
Drucken in Umlauf. Eberhard Lämmert erklärt dazu:
Wehmütig erfahrene Einsamkeit und gleichwohl geheime Sehnsucht nach unausgeschöpften
Erlebnismöglichkeiten, lockende Ungebundenheit vom trägen Einerlei der Erwerbs- und Sorgepflicht, die Fata
Morgana eines ewigen Sonntags: Hier ereignen sich die sozialen Wunschträume des sozial Gebundenen, hier begegnet
der zu geregelter Arbeit, weil zu ständigem Erwerb Verpflichtete den ihm vom Leben nicht verstatteten
Außerordentlichkeiten, die ihm obendrein ... als Gottes besondere Gunst ausgelegt werden.


Der mit der Gründung des Deutschen Reiches anwachsende Nationalstolz führte dazu, dass man die Naivität und das
Gottvertrauen des Taugenichts mehr und mehr zu einer 'typisch deutschen' Haltung erklärte, ungeachtet der Tatsache,
dass das Werk auch in einer Vielzahl von Übersetzungen erfolgreich war. Thomas Mann nannte den Taugenichts 1918
in den "Betrachtungen eines Unpolitischen"
exemplarisch deutsch, ... ein in seiner Anspruchslosigkeit
rührendes und erheiterndes Symbol reiner Menschlichkeit, human-romantischer Menschlichkeit, noch einmal denn: des
deutschen Menschen.

Diese einseitige Inanspruchnahme hat dem Werk freilich nichts anhaben können, auch in jüngerer Zeit gibt es immer
wieder Neuauflagen davon und immer wieder auch bebilderte. Die Gesamtzahl der illustrierten Ausgaben beläuft sich auf
rund 40, darunter auch solche, die den Text nur in ausgewählten Szenen abdrucken, weil sie ihn im ganzen wohl für
bekannt genug halten. Der Linzer Filmemacher und Grafiker Edgar Honetschläger beansprucht sogar, die Novelle ganz ohne
den Text mit eine Serie von über 200 Zeichnungen vollständig wiedergegeben zu haben
(angezeigt unter www.honetschlaeger.com/art/print /litho.html).
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Zeichnung von Edgar Honetschläger
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Die hier einbezogenen 13 illustrierten Ausgaben stammen überwiegend aus dem späten 19. Jahrhundert.
Anders als in jüngerer Zeit hat man damals noch eine möglichst zutreffende Wiedergabe des
ausgewählten Handlungsmomentes, also eine wirkliche Abbildung angestrebt und noch nicht so sehr die Vorführung einer
bestimmten künstlerischen Eigenart. Zur Vergegenwärtigung der Handlung eignen sich deshalb die älteren
Illustrationen besser und sind so auch didaktisch nutzbar. An vielen der Einzelbilder oder Bildfolgen können ganze
Geschehenszusammenhänge erläutert bzw. zur Erläuterung aufgegeben werden, was gerade in Anbetracht der
Handlungsundeutlichkeiten dieser Novelle den Einsatz sinnvoll macht.

Zur Wirkung des 'Taugenichts' gehören aber nicht nur die Illustrationen, sondern auch die Vertonungen. Fast alle Gedichte -
schon in der Novelle als 'Lieder' bezeichnet - sind auch vertont worden, wenn auch einige nur als Kunstlieder ohne
größere Resonanz. (Die Noten sammelt das Eichendorff- Museum in Wangen /Allgäu.) Zwei dieser Vertonungen
jedoch sind allgemein bekannt geworden und werden deshalb hier in Liedaufnahmen einbezogen.

Ein Wirkungszeugnis des 20. Jahrhunderts stellen schließlich noch die beiden Verfilmungen dar. Sie werden am Ende
dieser Ebene, unter den Bildern des 10. Kapitels, vorgestellt und mit jeweils einem kurzen Szenenausschnitt dokumentiert.
Erstes Kapitel
... mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus dem Hause; er hatte schon seit Tagesanbruch
in der Mühle rumort ...
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Zeichnung von Edmund Kanoldt (1886)
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... da nahm ich meine liebe Geige vor und spielte und sang, auf der Landstraße fortgehend ...
Unter den vielen Liedern, die nach Gedichten Eichendorffs entstanden sind, ist "Wem Gott will
rechte Gunst erweisen" sicherlich das bekannteste. 1833 von dem Schweizer
Musiklehrer Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836) komponiert, wurde es 1849 auch in das "Deutsche
Commersbuch", den Liederschatz der Burschenschaften, aufgenommen und dadurch zu einem wirklichen Volkslied.
Eine Aufnahme mit den "Regensburger Domspatzen" (Deutsche Grammophon GmbH, 1962)
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Zuerst, wie ich mich in der weiten, kühlen Vorhalle umschaue, klopft mir jemand mit dem Stocke auf die Schulter.
Ich kehre mich schnell um, da steht ein großer Herr in Staatskleidern ...
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Zeichnung von Ph. Grotjohann (1886)
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... oder sie nahm auch die Gitarre in den weißen Arm und sang dazu so wundersam über den Garten hinaus ...
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Zeichnung von Edmund Brüning (1898)
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... auf einmal kommt ein heller, lichter Haufen von jungen Herren und Damen vom Schlosse über die Wiese auf mich los,
meine beiden Damen mitten unter ihnen.
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Zeichnung von R. E. Kepler (1888)
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Als sich darauf die Frauen alle auf die Seitenbänke gelagert hatten, stieß ich vom Ufer ...
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Zeichnung von Edmund Brüning (1898)
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