Achte Vigilie

Das Märchen im Märchen aus der dritten Vigilie, das hier zu Ende erzählt wird, enthält
noch zwei typisch romantische Momente. Das eine ist die Vorstellung von einer 'Sprache' der Natur, entlehnt aus der Naturphilosophie
von Friedrich Wilhelm Schelling (1775-1854), das andere die von der besonderen Verständnistiefe der Poesie, formuliert vor allem
von Friedrich Schlegel (1772-1829).
... in der unglücklichen Zeit, wenn die Sprache der Natur dem entarteten Geschlecht der Menschen nicht mehr
verständlich sein, wenn die Elementargeister, in ihre Regionen gebannt, nur aus weiter Ferne in dumpfen Anklängen zu dem
Menschen sprechen werden ...
Die Naturvergessenheit der Menschen wird schon vom 'Sturm und Drang' beklagt, aber erst Schellings naturphilosophische
Schriften (ab 1802) lieferten zu dieser Klage die quasi wissenschaftliche Begründung. Für Schelling ist die gesamte Natur, auch
die unbelebte, Ausdruck von Geist und das Bewusstsein nur eine Spätstufe des Geistes, sodass alle Naturerscheinungen
für ihn miteinander verwandt sind. Die Romantiker bezogen daraus die Idee, dass auch z.B. Steine oder in den Bergwerken die Metalladern
eine Sprache sprechen und es nur auf die Abgestumpftheit der Menschen zurückzuführen sei, wenn sie die Botschaften
der anorganischen Welt nicht mehr verstünden.
Er hat mir oft gesagt, dass für die innere Geistesbeschaffenheit ... man jetzt einen Ausdruck habe, der aber nur zu oft
unschicklicherweise gemissbraucht werde; man nenne das nämlich ein kindliches poetisches Gemüt.
Friedrich Schlegel hat in seinen in der Zeitschrift "Athenäum" (1798-1800) erschienenen 'Fragmenten' die
Poesie und den poetischen Sinn immer wieder als die höchste Form der menschlichen Ausdrucks- und
Empfindungsfähigkeit hingestellt. Für Hoffmanns Leser reichte das Stichwort vom 'poetischen Gemüt' aus,
sich den allerbegabtesten Menschen dabei vorzustellen.