[Siebenter Teil]
So standen die Sachen für den armen Kohlhaas in Dresden, als der Kurfürst von Brandenburg zu seiner Rettung aus den
Händen der Übermacht und Willkür auftrat ...
Kurfürst = Der brandenburgische Kurfürst zur Zeit der Kohlhaas-Handlung war Joachim II. Hector (1501-1571), Kurfürst ab 1535.
Er gilt mit seinem Übertritt zum Protestantismus im Jahre 1539 als Einführer der Reformation in Brandenburg, ist ansonsten aber nur
durch seine aufwendige Hofhaltung und gewaltige Schulden in die Geschichtsbücher eingegangen. Den historischen Kohlhaas hat er an
seiner Fehde gegen Sachsen eine Zeit lang nicht gehindert, ihn schließlich aber gefangen genommen und in Berlin hinrichten lassen. Wie im Falle des
sächsischen Kurfürsten hat Kleist auch hier an eine historische Porträtierung aber sicherlich nicht gedacht.
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Es traf sich aber, dass die Krone Polen grade damals ... den Kurfürsten von Brandenburg in wiederholten und dringenden
Vorstellungen anging, sich mit ihr in gemeinschaftlicher Sache gegen das Haus Sachsen zu verbinden ...
Die hier angedeuteten Streitigkeiten zwischen Polen und Sachsen hat es zur Zeit der Kohlhaas-Handlung nicht gegeben.
... dass man die Vollstreckung des über ihn ausgesprochenen Todesurteils für eine Verletzung des Völkerrechts halten
würde ...
Völkerrecht = Der Begriff kam erst im 17. Jahrhunderts auf, so wie überhaupt Abwägungen, Bürger welchen
Landes ein ergriffener Übeltäter war, für die Zeit der Handlung noch ohne Bedeutung waren.
... fragte ihn, auf welchen Grund er nunmehr den Rosshändler bei dem Kammergericht zu Berlin verklagt wissen wolle ...
Kammergericht = Hofgericht des brandenburgischen Kurfürsten, seit 1735 unabhängig und höchstes Gericht von Brandenburg,
heute das Oberlandesgericht des Landes Berlin.
... so beschloss der Kurfürst, [sich bei] der Majestät des Kaisers zu Wien ... über den Bruch des von ihm eingesetzten
öffentlichen Landfriedens zu beschweren ...
Kaiser zu Wien = Kaiser Karl V. (1500-1558) regierte überwiegend von Spanien aus. In Wien hat er sich nur ein einziges Mal (1532)
aufgehalten, als die Stadt gegen die Türken zu verteidigen war.
Landfrieden = Der 1521 von Karl V. bekräftigte Reichslandfrieden, schon 1497 erstmals verkündet, würde Fehdehandlungen wie die von Kohlhaas
verboten haben, wenn die Reichsgewalt auch nur annähernd in der Lage gewesen wäre, für Rechtssicherheit unter den deutschen Ländern
zu sorgen. Das jedoch war erst nach dem 30-jährigen Krieg, also ein ganzes Jahrhundert später, endgültig der Fall.
Es traf sich, dass der Kurfürst von Sachsen auf die Einladung des Landdrosts ... zu einem großen Hirschjagen ... nach Dahme gereist war.
Landdrost = 'Droste' ist der niederdeutsche Begriff für einen Landrat.
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... öffnete sie und nahm einen kleinen, mit Mundlack versiegelten Zettel heraus ...
Mundlack = Papiersiegel nach Art einer Briefmarke, mit denen gefaltete Papiere verschlossen wurden.