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[Sechster Teil]
Sprung zur Textstelle Kohlhaas wünschte Dresden auf einige Tage zu verlassen ... ein Entschluss, zu welchem vielleicht auch noch Gründe anderer Art mitwirkten, die wir jedem, der in seiner Brust Bescheid weiß, zu erraten überlassen wollen.
Kleist will damit wohl andeuteten, dass Kohlhaas zu entkommen überlegt - auch vielleicht, weil ihm der respektable Empfang, der ihm in Dresden zuteil geworden ist, als Genugtuung ausreicht und ihm die Durchsetzung seiner Rechtsansprüche nichts mehr bedeutet. Sein Verzicht auf diese Ansprüche hätte jedoch keineswegs auch einen Verzicht der Gegenseite, nämlich auf Ersatz des von ihm angerichteten Schadens, zur Folge gehabt, und so liegt es in der Tat für ihn nahe, die Flucht in Erwägung zu ziehen.
Sprung zur Textstelle Denn nichts missgönnte er der Regierung, mit der er zu tun hatte, mehr als den Schein der Gerechtigkeit, während sie in der Tat die Amnestie, die sie ihm angelobt hatte, an ihm brach ...
Auf den zu zerstörenden 'Schein der Gerechtigkeit' legt Kohlhaas hier wohl gerade deshalb so viel Wert, weil er selbst diesen Schein noch wahrt (nämlich mit der Bitte um einen kurzen Urlaub, auch wenn er vielleicht nicht zurückzukehren überlegt), während die Gegenseite ihren schon vollzogenen Wortbruch weiterhin zu bemänteln versucht. An Ehrenhaftigkeit oder wenigstens dem Schein der Ehrenhaftigkeit will er sich von der Hofgesellschaft nicht übertreffen lassen.
Sprung zur Textstelle ... und ob er schon einsah, dass er sich ... die Flucht, durch die Schritte, die er getan, sehr erschwert hatte, so lobte er sein Verfahren gleichwohl, weil er sich nunmehr auch seinerseits von der Verbindlichkeit, den Artikeln der Amnestie nachzukommen, befreit sah.
Auch hier zeigt sich wieder, dass es für Kohlhaas hauptsächlich darum geht, 'im Recht' zu sein. Selbst die Tatsache, dass er sich die Möglichkeit zu fliehen, die er offensichtlich erwogen hat, durch sein rechtsbedenkliches Vorgehen selbst genommen hat, kann ihn nicht erschüttern. Jeder andere in diesem Fall würde sich angesichts der Hinterhältigkeit der anderen Seite einen Narren nennen, den 'Schein der Gerechtigkeit' so lange aufrechterhalten zu haben. Nicht Kohlhaas - ihm ist das Im-Recht-geblieben-Sein wichtiger als sein Leben.
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Sprung zur Textstelle Der Kurfürst weigerte sich standhaft, auf den Grund bloß dieses Briefes dem Kohlhaas das freie Geleit, das er ihm angelobt, zu brechen ...
Hier wird dem Kurfürsten noch eine ehrenhafte Haltung bescheinigt, rätselhafterweise eigentlich, wenn man bedenkt, welche Genugtuung es dann für Kohlhaas bedeutet, ihm 'weh zu tun'.
Sprung zur Textstelle ... doch da bei der Stimmung der Gemüter auch selbst dieser Schritt noch einer gleichgültigen Auslegung fähig war und er sich vollkommen überzeugt hatte, dass nichts auf der Welt ihn aus dem Handel, in dem er verwickelt war, retten konnte ...
Kohlhaas scheint fast schon zu vermuten, dass das ihm überbrachte Flucht-Angebot eine Falle ist, hält es aber für aussichtslos, den Kampf um sein Recht noch fortzusetzen. Seine Gewissheit, dass nichts auf der Welt ihn aus dem entstandenen 'Handel' retten kann, schließt eigentlich auch das Eingeständnis eines verfehlten Vorgehens in der Pferde-Angelegenheit ein. Jedenfalls resigniert Kohlhaas mehr, als dass er dem Kurfürsten wegen des gebrochenen Wortes zürnt.