Die Lebenswelt Zur Übersicht Zur Synopse Zur Einzelebene Druck
Sechzehntes Kapitel
Sprung zum Absatz 02 des Romantextes
... jetzt wo "Damenbad" und "Herrenbad" keine scheidenden Schreckensworte mehr waren.
Im 19. Jahrhundert badete man an Ost- und Nordsee noch strikt nach Geschlechtern getrennt, erst zu dessen Ende hin gab es zunehmend auch das 'Familienbad'. Der Badebetrieb war so geregelt, dass zwischen dem Damen- und dem Herrenbad ein mehrere hundert Meter breites Strandstück frei blieb und nicht betreten werden durfte. Die Badestellen selbst bestanden aus Kabinen zum Auskleiden und einem langen, ins Wasser führenden Steg, an dessen Ende man in das dann schon hüfttiefe Wasser hinunterstieg. Auch auf dem Steg konnte man nicht beobachtet werden, weil er entweder seitlich mit Kabinen bestellt oder mit einer Plane zugedeckt war. Selbst die Treppe am Ende war oft noch mit einer Marquise überwölbt, die bis dicht über den Wasserspiegel hinunterreichte.
Der Grund für diese Maßnahmen: anders als in den Bädern des Binnenlandes badete man im Meer um diese Zeit noch nackt. Erst mit der Ausbreitung der Familienbäder wurde das 'Badekostüm' üblich. Theodor Storms 1875 erschienene Novelle "Psyche" liefert hierfür ein erhellendes Beispiel. Sie handelt davon, dass ein junger Mann, Bildhauer, an der Nordsee eine junge Frau vor dem Ertrinken rettet, dann eine Akt-Skulptur von ihr herstellt und sich über deren Ausstellung ein Liebesverhältnis zwischen den beiden entwickelt. Einige waren von dieser Handlung und zumal von der Badeszene irritiert, unter ihnen der Dichter Paul Heyse, der am 21. Oktober 1875 an Storm schrieb:
Ihre 'Psyche' hat mir nicht recht eingehn wollen ... Sie haben sich bemüht, äußerst dezent zu bleiben; um so aufgeregter arbeitet die Phantasie des Lesers mit. Baden denn Mädchen splitterfasernackt? Und wenn nicht, wie kann ein im Strandkostüm ohnmächtig den Wellen entrissenes junges Ding gerade eine Bildhauerseele so mächtig entzünden, die ja mit ganzer Nacktheit vertraut ist?
Storms ironische Antwort (der Brief ist undatiert):
Meine 'Psyche' anlangend, ... können Sie unbesorgt sein, unsere eingeborenen Damen von der Nordsee gehen ohne jegliche Hose in die Wellen; so was war mir auch nicht einmal im Traum eingefallen; da müßte man ja wohl für die durch 'Bäder' Entarteten noch eine Nota unter den Text setzen!
Benutzte Literatur: Storm, Theodor
Das Wissen um die Badesitten an Nord- und Ostsee ist zu dieser Zeit also keineswegs allgemein verbreitet, und so geben die Seebäder auch Broschüren heraus, in denen den Gästen das richtige Verhalten am Strand und beim Baden erklärt wird.
Benutzte Literatur: Gildenhaar, Dietrich / Rusch, Erhard
Das Herrenbad von Swinemünde zu Ende des 19. Jahrhunderts.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 02 des Romantextes
... zu welchem Behufe des Majors Bursche, ein alter Treptower Ulan, der Knut hieß ...
Ulanen: mit Lanzen bewaffnete Reiter-Truppen, in diesem Falle aus Treptow an der Rega in Pommern.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 11 des Romantextes
"Auf Mohrenwäsche lasse ich mich nicht ein ..."
Mohrenwäsche: der fruchtlose Versuch, aus schwarz weiß zu machen, d.h. etwas Naturgegebenes ändern zu wollen.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 13 des Romantextes
"Weil er einen 'Verdruß' hat. Wer gerade gewachsen ist, ist für Leichtsinn."
Verdruss: hier beschönigend für Buckel.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 15 des Romantextes
Dann sahen beide, von dem Stein weg, auf das Meer und warteten, ob die 'Seejungfrau' noch einmal sichtbar werden würde ...
Seejungfrau: eigentlich Bezeichnung für Seekühe, hier für Robben.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 17 des Romantextes
Crampas, ein guter Causeur, erzählte dann Kriegs- und Regimentsgeschichten ...
Causeur: Plauderer, Unterhalter.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 28 des Romantextes
"So war er damals auch schon, als wir in Liancourt und dann später in Beauvais mit ihm in Quartier lagen. Er wohnte da in einem alten bischöflichen Palast - beiläufig, was Sie vielleicht interessieren wird, war es ein Bischof von Beauvais, glücklicherweise 'Cochon' mit Namen, der die Jungfrau von Orleans zum Feuertod verurteilte ..."
Liancourt: Schloss im Département Oise, dessen Hauptstadt Beauvais ist. Der Bischof von Beauvais, der Jeanne d'Arc 1431 zum Feuertod verurteilte, schrieb sich jedoch nicht Cochon ('Schwein'), sondern Cauchon. - Die 'beiläufig' eingeschobene Bemerkung zur Verurteilung der Jungfrau von Orleans zeigt Crampas als guten Plauderer, mit dem Thema, den Spuk-Vorlieben Innstettens, hat sie nichts zu tun.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 34 des Romantextes
"Das Schmeichelhafteste, was einem guten Vierziger, mit einem a.D. auf der Karte, gesagt werden kann ..."
a.D.: außer Dienst.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zum Absatz 42 des Romantextes
"... ist der geborene Pädagog, und hätte ... eigentlich nach Schnepfenthal oder Bunzlau hingepaßt."
Schnepfental / Bunzlau: In Schnepfental in Thüringen und in Bunzlau in Schlesien gab es bekannte christliche Erziehungsanstalten.