Theodor Storm, geboren am 14. September 1817 in Husum,
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Das Geburtshaus in Husum, Markt 9
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Als Erstgeborener - es folgten noch sechs Geschwister - trat Storm in die Fußstapfen
des Vaters und studierte nach dem Abitur auf dem Lübecker Katharineum von 1837 bis 1842 in Kiel und Berlin Jura. Sein Hauptinteresse
galt allerdings schon früh der Literatur, genauer: der Lyrik, und mit Gedichten trat
er 1843 im "Liederbuch dreier Freunde" (zusammen mit den Brüdern Mommsen) auch erstmals an die Öffentlichkeit. Auch in den
nachfolgenden Jahren, als er in Husum Anwalt geworden war, schrieb er hauptsächlich Gedichte und fand darin einen ganz eigenen,
stimmungstiefen Ton. Theodor Fontane, der früh auf ihn aufmerksam geworden war, urteilte 1853: An ihm ist jeder Zoll ein Dichter. Kein großer,
aber ein liebenswürdiger, wir möchten sagen ein recht 'poetischer' Dichter. Er wandelt keine absolut neuen Wege, aber die alten, die er
einschlägt, sind die echten und wahren.
Die meisten Gedichte Storms handeln von Liebessehnsucht und verborgener oder schmerzlich erfahrener Leidenschaft, und
natürlich gaben persönliche Erlebnisse dafür den Anlass. Eine unglückliche Liebe band
ihn jahrelang an die zehn Jahre jüngere Bertha von Buchan, um deren Hand er 1842 - da war sie noch
nicht sechzehn - vergeblich anhielt. Auch das Verhältnis zu seiner Cousine Constanze Esmarch (1825-1865), mit der
er sich 1844 verlobte und die er 1846 heiratete, bildete sich in Dichtungen ab, und intensiver noch das zu Dorothea Jensen (1828-1902),
der Freundin einer seiner Schwestern, in die er sich im ersten Jahr seiner Ehe auf das Hilfloseste verliebte.
Von Gefühlen und Stimmungen dieser Art handeln auch die ab 1850 entstehenden Novellen. Seine Novellistik sei aus
seiner Lyrik erwachsen, urteilte Storm selbst, daher zuerst, was man meinetwegen etwas Sprunghaftes oder auch Guckkastenbilder
nennen mochte, obgleich auch hier meist die Verbindungsglieder unmerklich mitgegeben waren (Brief an Erich Schmidt vom 1. März
1882). Er nannte diese Novellen deshalb auch 'Stimmungsnovellen' oder 'Situationen', ihrem Inhalt nach auch 'Sommergeschichten', und
gleich mit einer der ersten - "Immensee" - hatte er großen Erfolg. Der charakteristische Inhalt: ein älterer Mann erinnert sich
an eine Jugendliebe, die er aus Schicksal, Schuld und Lebensumständen nicht hat festhalten können, die ihm aber als verlorenes
Glück immer vor Augen steht. Etwas entschwindet und jemand blickt nach, kennzeichnet Georg Lukács in seinem
Storm-Essay von 1910 dieses Lebensgefühl, und er lebt weiter und geht nicht daran zugrunde. Doch ewig lebt in ihm die Erinnerung: etwas
war da, etwas ging zugrunde, etwas hätte sein können, irgend einmal ...
Verstärkt wurde dieses Lebensgefühl dadurch, dass Storm 1853 Husum verlassen musste. Die Herzogtümer
Schleswig, Holstein und Lauenburg gehörten damals zu Dänemark - Storm war von Geburt auch dänischer Staatsbürger -, verstanden
sich aber natürlich als deutsch und wollten deutsche Länder sein. Die Revolution von 1848 heizte dieses Verlangen an,
mit Unterstützung Preußens kam es gegen Dänemark zum Krieg, doch die schleswig-holsteinischen Truppen unterlagen. Storm, der die Kämpfe
in Zeitungsbeiträgen begrüßt hatte und auch weiterhin für die Rechte der deutschen Bevölkerung eintrat, verlor
1852 seine Zulassung als Anwalt und hatte damit in seiner Heimat kein Auskommen mehr. Schweren Herzens siedelte er mit seiner Frau und
inzwischen drei Söhnen nach Potsdam um, wo ihm der wenig geliebte preußische Staat eine Art Aushilfsrichter-Stellung überlassen hatte.
Obwohl er in dieser Zeit Anschluss an den Berliner Literaturzirkel des "Tunnel" um Theodor Fontane und seine Freunde
fand, fühlte er sich in Potsdam wie im Ausland. Die 'Sommergeschichten', die er dort und in den insgesamt zehn preußischen 'Exil'-Jahren
schrieb, spielen fast alle in Schleswig-Holstein, und alle sind sie auf den Ton von Jugendglück und Liebesverlust gestimmt. Fontane schrieb
1878, Storm sei ein wundervoller Novellist und Dichter, trotzdem er nun schon 30 Jahre lang auf derselben Saite spielt. Aber wie Paganini
(Brief an Paul Lindau vom 23. Oktober 1878). Storm selbst wusste sein Werk in dieser Hinsicht aber auch richtig einzuschätzen. Zur
Klassizität gehört doch wohl, bemerkte er 1872, daß in den Werken eines Dichters der wesentliche geistige Gehalt seiner Zeit in
künstlerisch vollendeter Form abgespiegelt ist, und werde ich mich jedenfalls mit einer Seitenloge begnügen müssen (Brief an Emil
Kuh vom 1. September 1872).
Das ist die Situation, in der auch die Novelle "Auf dem Staatshof" entstand. Im Sommer 1856 hatte Storm eine Stelle als Kreisrichter
im preußischen Heiligenstadt erhalten und war mit seinem Vater zu einer ersten Inspektion dorthin gereist.
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Das Schloss von Heiligenstadt mit dem Kreisgericht |
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Bettmanns 'Hotel zur Krone' in Göttingen
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Zur Ausarbeitung der Geschichte kam es allerdings längere Zeit nicht. Im Herbst 1856 zog Storm mit seiner Familie und inzwischen vier
Kindern von Potsdam nach Heiligenstadt um und war dort durch die neuen Lebensumstände erst einmal stark in Anspruch genommen.
Zunächst wohnte er in einem Haus auf dem Grundstück seines Bruders Otto, der dort eine Gärtnerei betrieb,
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Storms Haus von Herbst 1856 bis Mai 1857.
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Das Haus in der Wilhelmstraße
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Heiligenstadt und seine Umgebung gefielen ihm aber durchaus. Die Gegend ist
überaus hübsch, schreibt er am 30. September 1856 an Ludwig Pietsch, es ist hier in der Tat reizend zu leben.
Da ich nicht in Husum sein kann, so wünsche ich nur in Heiligenstadt zu sein.
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Heiligenstadt in der Zeichnung eines Freundes von Storm.
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Krankheiten in der Familie, die Arbeit am Kreisgericht, wo er in seiner Spruchkammer sogar die Todesstrafe mitunter zu beschließen
hatte, und eine allgemeine Unlust am Schreiben ließen die dichterischen Pläne allerdings nicht vom Fleck kommen. Der - ich glaube,
sehr glückliche - Anfang einer Sommergeschichte mit ganz bestimmtem Lokalton, liegt vor mir, teilt er am 23. Mai 1857
Friedrich Eggers mit, aber - es tut's halt nimmer mehr, wenigstens für jetzt nicht. Ludwig Pietsch gegenüber
äußert er am 9. Juni: Die Wahrheit ist, daß ich gegenwärtig und seit geraumer Zeit schon ... innerlichst müde, um nicht
zu sagen alt geworden bin; ich hab keine Freude so recht mehr an der Welt, ja ich habe fast das Gefühl der Vornehmigkeit
eingebüßt, mit dem ich sonst über dem Leben gestanden; so liegen denn auch die poetischen Entwürfe vom
vorigen Herbst im Kasten, ohne daß ich den mindesten Trieb hätte, sie weiter zu bringen. Und an seine Mutter schreibt
er am 24. Januar 1858 über die ihm 'täglich in's Haus fallenden Acten': Ich fühle jetzt recht, welchen Abscheu ich vor meinen
amtlichen Geschäften habe ... Nicht wegzuleugnen ist, daß diese mir fremdartige Beschäftigung doch mein ganzes Leben verdirbt.
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Storm im Sommer 1857 in Heiligenstadt.
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Constanze Storm zu derselben Zeit.
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So dauerte es bis Ende 1857, dass wenigstens eine erste Fassung der Novelle vorlag. An Ludwig Pietsch, der schon "Immensee" illustriert
hatte, schreibt er am 14. Dezember 1857:
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Zeichnung von Ludwig Pietsch (1857)
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Die erste Manuskript-Seite.
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Das Deckblatt des ARGO-Bandes von 1859.
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Die erste Seite der Novelle in der ARGO.
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Als sei mit der Fertigstellung dieses Werkes ein Bann gebrochen worden, verfasste Storm in den noch folgenden fünf
Heiligenstädter Jahren ein ganzes Dutzend weiterer Geschichten, einige Märchen, in der Mehrzahl Novellen, und
festigte damit seinen Ruf als ein zu beachtender zeitgenössischer Autor. Im Frühjahr 1864 endete für ihn mit
der Rückkehr nach Husum das preußische 'Exil'.
Noch zu DDR-Zeiten, zum seinem 100. Todestag 1988, wurde ihm in Heiligenstadt das Literaturmuseum "Theodor Storm" gewidmet
und eine Bronzestatue für ihn aufgestellt.
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Das Theodor-Storm-Denkmal in Heiligenstadt.
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