"Michael Kohlhaas" ist von allen Werken Kleists das am häufigsten gedruckte, und ungewöhnlich oft
auch noch wurde die Novelle literarisch bearbeitet. Wahrscheinlich ist dies sogar das meistbearbeitete deutsche Erzählwerk
überhaupt. Ein Grund dafür ist zunächst der geschichtliche Stoff, der auch unabhängig von Kleist oder
über ihn hinaus auf Interesse stoßen konnte. Viele der Umarbeitungen allerdings - vor allem zu Bühnenstücken -
beziehen sich ausdrücklich auf ihn, wollen der Geschichte also nur durch eine andere Darbietungsform zu
größerer Wirkung verhelfen.
Die Serie der erzählenden Formen beginnt 1822 und hat bis in unsere Zeit hinein zu 15 Romanen oder geschichtlichen
Darstellungen geführt, von Kleist allerdings oft mehr beeinflusst, als bemerkt. Das beginnt damit, dass Michael Kohlhaas
als 'Rosshändler' bezeichnet wird, was er als historische Person nicht war, und endet in der detaillierten Wiedergabe einzelner
Handlungsmomente, die nicht im Mindesten historisch, sondern gänzlich von Kleist erfunden worden sind. So erzählt der 'Brockhaus'
in seiner 10. Auflage (Bd. 9, 1853) in einem Kohlhaas-Artikel den Inhalt der Kleist'schen Novelle bis auf die Zigeunerin-Geschichte
komplett nach, also samt Knecht und 'Tronkaburg', Prozess in Dresden und Rechtsbeistand durch den Kurfürsten von Brandenburg,
ohne das Ungeschichtliche daran auch nur ahnen. Zum kuriosen Ende folgt auch noch der Satz: "Der Stoff
wurde mehrfach poetisch bearbeitet, unter Andern auch von Kleist und von Maltitz."
Die meisten Bearbeitungen sind aber auf Kleist beruhende Bühnenstücke, hauptsächlich Tragödien, aber auch eine Tragikomödie,
ein Volksstück, eine Komödie, ein Burgfestspiel und anderes. Schon im 19. Jahrhundert lassen sich, beginnend 1828,
zehn 'Kohlhaas'-Stücke registrieren, und im 20. Jahrhundert addiert sich ihre Zahl auf über 50. Hinzu kommen drei
Opern, mehrere Hörspiele und Gedicht-Zyklen und nicht zuletzt zwei Filme, auf die am Ende dieser Ebene, in der
Kommentierung des 8. Teils, näher eingegangen wird.
Die Novelle selbst hat von der Mitte des 19. Jahrhundert an mehr und mehr Leser gefunden. Bereits 1868 erschien sie als
Reclam-Heft, 1873 erstmals in einer illustrierten Ausgabe, und von der Jahrhundertwende an gab es Neuausgaben beinahe Jahr um Jahr.
Eine von Barbara Wilk-Mincu (Berlin) vorbereitete Bibliographie führt rund 60 'Kohlhaas'-Ausgaben mit Illustrationen auf, die vorerst letzte
als französische Übersetzung aus dem Jahr 1990. 14 dieser Ausgaben werden nachfolgend einbezogen, und zwar
überwiegend ältere, weil in ihnen der Abbildungsgedanke noch im Vordergrund steht und sie nicht, wie oft später,
nur mehr nach künstlerischer Originalität streben.
Auffallend an allen Illustrierungen sind die großen Unterschiede in der Ausfüllung der dargestellten Situationen.
Während die ausgewählten Szenen ganz überwiegend dieselben sind, weichen die Einzelheiten der Bilder stark voneinander ab. Das
erklärt sich leicht daraus, dass es bei Kleist so gut wie keine beschreibenden Elemente gibt. Alles ist Handlung oder Empfindung, wie man
sich Menschen und Gegenstände äußerlich vorzustellen hat, ist kaum je auch nur angedeutet. So scheint es weitgehend auf eine Geschmacksfrage
hinauszulaufen, in welchen der Bilder man die Atmosphäre der Novelle besser getroffen sieht. Die Bildauswahl jedenfalls
will in erster Linie den Gang der Handlung dokumentieren und sollte sich insoweit auch eignen, bestimmte Zusammenhänge inhaltlich
abzufragen.

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Zeichnung von Paul Thumann (1873)
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Zeichnung von Ernst Barlach (1910)
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Aquarell von Roland Strasser (1946)
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Farbzeichnung von Franz Stassen (1924)
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Zeichnung von Ursula Volk (1953)
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Lithographie von E. Ballin-Woltereck (1924)
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Zeichnung von Willi Probst (1950)
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Zeichnung von Heinrich Linzen (1926)
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Aquarell von Roland Strasser (1946)
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Lithographie von E. Ballin-Woltereck (1924)
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Zeichnung von Povl Christensen (1960)
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Radierung von Alois Kolb (1912)
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Zeichnung von Heinrich Linzen (1926)
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Zeichnung von Paul Thumann (1873)
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Aquarell von Kurt Werth (1925)
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Farbzeichnung von Franz Stassen (1924)
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Lithographie von Bruno Goldschmitt (1916)
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Lithographie von Bruno Goldschmitt (1916)
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Zeichnung von Paul Thumann (1873)
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Zeichnung von Ernst Barlach (1910)
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Zeichnung von Franz Stassen (1924)
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Zeichnung von Heinrich Linzen (1926)
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Aquarell von Roland Strasser (1946)
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Aquarell von Kurt Werth (1925)
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Zeichnung von Kurt Werth (1925)
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Zeichnung von Alois Kolb (1912)
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Zeichnung von Franz Stassen (1924)
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Zeichnung von Paul Thumann (1873)
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Zeichnung von Ursula Volk (1953)
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Zeichnung von Franz Stassen (1924)
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Holzschnitt von Friedrich Stein (1947)
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Zeichnung von Ursula Volk (1953)
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Aquarell von Kurt Werth (1925)
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Zeichnung von Alois Kolb (1912)
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Scherenschnitt von H. D. Voss (1940)
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Zeichnung von Ursula Volk (1953)
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Aquarell von Roland Strasser (1946)
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Zeichnung von Povl Christensen (1960)
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Zeichnung von Ernst Barlach (1910)
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Holzschnitt von Friedrich Stein (1947)
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Zeichnung von Paul Thumann (1873)
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Farbzeichnung von Franz Stassen (1924)
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Aquarell von Roland Strasser (1946)
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Eine zweite Variante von 'Abbildern' und zugleich Wirkungszeugnissen stellen die
beiden Verfilmungen dar. Zu der ersten kam es 1969 durch Volker Schlöndorff (geb. 1939). Schon der Titel
"Michael Kohlhaas - Der Rebell" deutet die Tendenz des Filmes an: es geht um einen Aufstand von Unterdrückten,
nicht unbedingt um einen Kampf um das Recht. Der hinsichtlich seiner Pferde übervorteilte Michael Kohlhaas hat es deshalb auch
nur mit einem Kurfürsten, dem
sächsischen, zu tun und steht so von Anfang an auf verlorenem Posten. Den Tücken und Tricks der Mächtigen ist er ebenso
wenig gewachsen, wie er das ihm zulaufende Volk richtig einzuschätzen weiß. Während er ausschließlich Genugtuung
in der Sache seiner Pferde sucht, möchte sein Gefolge plündern, töten, vergewaltigen oder ist - in deutlicher Anspielung
auf die Studentenbewegung - einfach nur auf Abenteuer aus. Die einzige Spannung, die sich daraus ergibt, liegt in der Frage, wie
lange das gut gehen kann.
Der äußere Verlauf entspricht dem der Novelle, wenn auch die gesamte Zigeunerin-Geschichte fehlt, weil sie in
diesem Exempel um einen einsamen Idealisten und eine verdorbene Welt keinen Platz hat. Luther, der zwischen beiden vermittelt, tritt hier auf
wie ein Staatsmann und übernimmt insoweit mit auch die Rolle des brandenburgischen Kurfürsten. Szenen von exzessiver Grausamkeit,
darunter die widerliche Vergewaltigung einer am Pranger stehenden Frau, sollen die sittliche Verwahrlosung des Kohlhaas-Gefolges zeigen,
sind aber nicht frei von voyeuristischen Momenten. Auch das Ende von Kohlhaas ist mittelalterlich-grausam, er wird auf das Streckbett gelegt
und gerädert - Anklage gegen eine Welt, in der es ungerecht zugeht und die Mächtigen immer die Mächtigen bleiben. Als
Aussage über die Ziele der revolutionären Linken von 1968 ist der Film durchaus pessimistisch.
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Michael Kohlhaas (David Warner, geb. 1941) am Schlagbaum.
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Kohlhaas vor dem Junker von Tronka (Inigo Jackson, 1933-2001) .
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Der Junker von Tronka weist Kohlhaas ab
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Die Rappen werden abgeführt
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Der kranke Knecht Herse (Václav Lohniský, 1920-1980)
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Anna Karina (geboren 1940) als Kohlhaasens Frau.
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Kohlhaas als Heerführer
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Martin Luther (Thomas Holtzmann, geb. 1927) beim sächsischen Kurfürsten (Anton Diffring, 1915-1989).
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Michael Kohlhaas und Martin Luther
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Junker von Tronka und der Abdecker
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Junker von Tronka gibt Kohlhaas die Pferde zurück
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Der sächsische Kurfürst verliest das Todesurteil.
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Eine zweite Verfilmung gab es - ebenfalls 1969 - durch Wolf Vollmar (geboren 1929) für den Westdeutschen Rundfunk.
Erstmals ausgestrahlt wurde der Film allerdings erst zehn Jahre später, wohl um nicht mit Schlöndorffs Verfilmung
in einen unvorteilhaften Vergleich zu geraten. Denn anders als dessen Film, der die Welt des 16. Jahrhunderts
vollständig ins Bild zu setzen bemüht ist, handelt es sich bei Vollmars Film eher um eine szenische
Lesung, bei der zu vorgelesenen Textpartien bestimmte Vorgänge gezeigt und hauptsächlich nur die in der
Novelle geführten Gespräche szenisch ausgespielt werden.
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Die DVD-Ausgabe der Verfilmung
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Die Nähe zum Text und die vergleichsweise vollständige Berücksichtigung der Handlung sind zur Vergegenwärtigung des Inhaltes gut
geeignet, geben aber zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Film oder gar mit Kleist kaum Anlass. Auch lässt das gepflegte Agieren
der Schauspieler vom Ingrimm der Kleist'schen Novelle nicht viel übrig.
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Rolf Boysen (geb. 1920) als Michael Kohlhaas
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Irene Marhold (geb. 1932) als seine Frau
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Harald Dietl (geb. 1933) als Knecht Herse
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Johannes Grossmann (geb. 1931) als Wenzel von Tronka
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Alfred Schieske (1908-1970) als Luther
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Wilhelm Borchert (1907-1990) als sächsischer Kurfürst
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Lotte Brackebusch (1898-1978) als Zigeunerin
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