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Zweiunddreißigstes Kapitel
Sprung zum Absatz 10 des Romantextes
Bei Tisch waren sie zumeist zu sieben, ... zwei die Hochschule besuchende Engländerinnen ... eine sehr hübsche galizische Jüdin, ... und eine Kantorstochter aus Polzin in Pommern ...
Zu einem regulären Studium wurden Frauen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugelassen. Bei Zustimmung der Professoren konnten sie die Vorlesungen aber als Gasthörerinnen besuchen.
Galizien, das Gebiet von Krakau bis zum heute ukrainische Lemberg (Lwów), gehörte bis 1918 zu Österreich.
Polzin: Kurbad mit eisenhaltigen Quellen im preußischen Regierungsbezirk Köslin.
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Sprung zum Absatz 20 des Romantextes
... daß der gnädige Herr nun wieder aus Glatz zurück sei; der alte Kaiser habe gesagt, sechs Wochen in solchem Falle sei gerade genug ...
Die lange Tradition, die das Duell als Mittel der Konfliktlösung in Ehrensachen hatte, wurde auch in den damaligen Strafbestimmungen berücksichtigt. Das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches von 1871 behandelte den 'Zweikampf' - so die rechtliche Bezeichnung - nicht als Verbrechen wider das Leben, sondern im wesentlichen nur als einen Verstoß gegen das Strafprivileg des Staates (§§ 201-210 StGB). Bei einem regelgerecht durchgeführten Duell konnte der Überlebende mit nicht mehr als zwei bis fünf Jahren Festungshaft bestraft werden, und die anwesenden Sekundanten und Ärzte blieben überhaupt straffrei. Selbst die zumeist nur verhängte Mindeststrafe von zwei Jahren wurde aber selten voll verbüßt, sondern durch Begnadigung abgekürzt. Wenn Innstettens Inhaftierung in Glatz an der Neiße (einer alten Festungsstadt in der Nähe von Breslau) bereits nach sechs Wochen endet, kommt er in diesem Punkt sogar noch schlechter weg als Armand von Ardenne, der bereits nach 18 Tagen wieder entlassen wurde.
Benutzte Literatur: Frevert, Ute
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'Nun, Roswitha, gehe da hinüber und hole uns eine Karaffe Spatenbräu, denn wenn man gearbeitet hat, dann will man doch auch trinken, und wenn Du kannst, so bring uns auch etwas Gutes aus dem Habsburger Hof mit ...'
Spatenbräu aus der Münchner Spatenbrauerei wurde schon zu dieser Zeit unter dem noch heute bekannten Markenzeichen weit über Bayern hinaus vertrieben. Seit 1875 waren solche Markenzeichen in Deutschland gesetzlich schützbar, das der Spaten-Brauerei war 1884 angemeldet worden.
Der Eintrag der Spaten-Brauerei im Jahrgang 1 (1886) des Warenzeichenblattes.
Eine Anzeige aus der Vossischen Zeitung vom November 1886.
Gaststätten gab es in der Königgrätzer Straße in Richtung Askanischer Platz zahlreich. Dort, gegenüber dem Anhalter Bahnhof (siehe die Abbildung unter SCHAUPLÄTZE), befand sich etwa an der Stelle, von der aus die Aufnahme gemacht ist, das Hotel Habsburger Hof.
Der Habsburger Hof auf einer Postkarte von 1928.
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"Er predigt ganz gut und ist ein sehr kluger Mann ... Aber es ist doch alles bloß, wie wenn ich ein Buch lese; und wenn er dann so laut spricht und herumficht und seine schwarzen Locken schüttelt, dann bin ich aus meiner Andacht heraus."
Der von Effi in der Christuskirche angehörte Prediger war Paulus Stephanus Cassel (1821-1892), ursprünglich Rabbiner und erst 1855 zum protestantischen Glauben übergetreten. Er machte nicht nur als Redner auf sich aufmerksam (1866/67 war er Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses), sondern verfasste auch zahlreiche religions- und kulturgeschichtliche Abhandlungen. An der Christuskirche predigte er von 1868 bis 1891. Ein Bild von ihm scheint sich nicht erhalten zu haben.
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Effi ... wollte Malerin werden, und wiewohl sie selber darüber lachte, weil sie sich bewußt war, über eine unterste Stufe des Dilettantismus nie hinauskommen zu können ...
Dass es Frauen als Malerinnen nicht weit bringen, ist Fontanes Meinung auch der Realität gegenüber gewesen - die Gründung des "Vereins der Berliner Künstlerinnen" begleitete er 1869 mit recht skeptischen Kommentaren.
Benutzte Literatur: Rothe, Friedrich
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Sie kam aus der Malstunde ... und stieg, nahe dem Halteplatz, in einen die lange Kurfürstenstraße passierenden Pferdebahnwagen ein.
Die Pferdebahn war die Vorläuferin der elektrischen Straßenbahn, die von 1881 in Berlin aufkam. Ein oder zwei Pferde zogen auf Schienen geführte Wagen, die auf Unter- und Oberdeck zwanzig bis dreißig Fahrgäste befördern konnten. Da die Pferde zwischen den Gleisen laufen mussten, hatten die Wagen eine verhältnismäßig breite Spur, die die nachfolgende elektrische Straßenbahn, die dasselbe Gleisbett benutzte, dann übernahm.
Links ein Pferdebahnwagen mit Sitzreihe auf dem Oberdeck, rechts ein Wagen ohne Oberdeck.
Sprung zum Absatz 47 des Romantextes
Rasch entschlossen öffnete sie die Thür zu dem Vorderperron, auf dem niemand stand ...
Ein Leser wandte nach Mitteilung des "Berliner Tageblatts" vom 12. April 1896 ein, der Vorderperron der Pferdebahnwagen sei für die Fahrgäste nicht zugänglich gewesen und außerdem fahre die Pferdebahn nicht durch die ganze Kurfürstenstraße, was freilich mit der Formulierung 'die lange Kurfürstenstraße passierend' auch nicht gesagt ist.
Benutzte Literatur: Hehle, Christine
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Die "Ministerin", bei der Effi wegen der Kontaktaufnahme zu ihrer Tochter vorspricht, ist natürlich nur die Frau eines Ministers, aber es war zu jener Zeit selbstverständlicher Brauch, dass die Ehefrauen die Titel und Berufsbezeichnungen ihrer Männer führten. Dem Zeitpunkt der Handlung nach - es ist 1889 - müsste es sich hier um die Frau von Ernst Ludwig Herrfurth (1830-1900) handeln, preußischer Minister des Innern seit Juni 1888 (bis 1892), doch die hätte Effi, die ja seit 1886 von Innstetten geschieden ist, aus den Jahren davor gar nicht kennen können. Der Wechsel in diesem Amt kommt Fontane aber durchaus entgegen. Es wäre ziemlich problematisch gewesen, eine reale Ministers-Gattin als Effis Komplizin in die Handlung einzubeziehen. Da es in der Zeitspanne der Romanhandlung aber drei verschiedene Innenminister sind (Eulenburg, Puttkamer und Herrfurth), lässt sich auf eine reale Person hier nicht schließen.
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Sie schickte ihre Karte hinein, auf der nur stand: Effi von Innstetten geb. von Briest.
Effi hat also wie Elisabeth von Ardenne ihren ehelichen Namen behalten, d.h. behalten dürfen. Für ihren Grabstein wird sie dann aber wünschen, wieder mit ihrem Mädchennamen bezeichnet zu werden.