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Drittes Kapitel
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...  s i e  hatte es nicht sein können, nun war es statt ihrer die Tochter - alles in allem ebenso gut oder vielleicht noch besser.
Es gehört zu den wirklichen Rätselhaftigkeiten dieses Romans, dass Effis Eltern keinerlei Bedenken tragen, ihre gerade 17 Jahre alt gewordene Tochter binnen drei Monaten an einen 21 Jahre älteren Mann zu verheiraten, der 18 Jahre vorher schon um die Mutter geworben hat. Es mag sein, dass Fontane einen solchen Fall kannte - typisch war er nicht. Nach den preußischen Heirats-Statistiken lag die Zahl der Eheschließungen zwischen Frauen unter 20 und Männern über 30 zu dieser Zeit bei unter zwei Prozent, d.h. die Heirats-Altersdifferenz von 17 zu 38 Jahren dürfte im Promille-Bereich gelegen haben.
Benutzte Literatur: Jahrbuch für die amtliche Statistik des 
Preußischen Staats. Bd. IV,1
Sprung zum Absatz  des Romantextes Außerdem wäre in solchen Fällen eine Verlobungszeit von einem Jahr das allermindeste gewesen, nur drei Monate waren für eine 17-jährige schlicht skandalös. Und in jeder Hinsicht unbegreiflich ist die Bedenkenlosigkeit, mit der hier eine Werbung nacheinander um Mutter und Tochter hingenommen wird. Wenn schon nicht die Mutter, hätte wenigstens der 50-jährige Briest diese ersatzweise Inanspruchnahme seiner Tochter verhindern müssen.
Warum hat Fontane die Abnormität dieser Konstellation nicht erkannt bzw. sie nicht deutlicher hervorgehoben? Jedes Eingehen auf sie hätte bedeutet, den Blick von Effi abzulenken und ihre Eltern zu maßgeblich Mithandelnden zu machen. Zumal bei Berührung der Schuldfrage hätte sich das Interesse dann unweigerlich stärker auf sie richten müssen, und das sollte nicht sein. Eine andere Konstellation zu finden, bei der eine 17-jährige einen so viel älteren Mann auf der Stelle heiraten darf, wäre aber nicht leicht möglich gewesen, und so kann Fontane das Außergewöhnliche daran nur beiseite lassen. Da in den Fürstenhäusern (wenn auch nur dort) damals solche Fälle noch vorkamen, fiel es den meisten Lesern als unpassend auch nicht auf.