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Werner Abelshauser
Verantwortung aus Eigennutz?
Unternehmer in der korporativen MarktwirtschaftVortrag auf der 28. Öffentlichen Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte am 7. März 2005 in Berlin, Bertelsmann AG, Unter den Linden 1
Wer glaubt, Historiker würden sich zunächst und vor allem mit Vergangenem beschäftigen, hat Recht und irrt zugleich. Vieles, was in der Vergangenheit begonnen hat, ist nicht vergangen: es zeigt uns wie in einem Spiegel die Grundlagen unseres gegenwärtigen Denkens und Handelns. Dies gilt auch für die Frage nach der Verantwortung des Unternehmers und zwar auf so handfeste Weise, daß schon der Eigennutz gebieten sollte, Vergangenes nicht außer Acht zu lassen. In diesem Sinne will ich meinem Auftrag nachkommen und mich mit der gegenwärtigen Vergangenheit oder besser mit der Wirkungsmacht der Vergangenheit auf die Gegenwart auseinandersetzen.
Zu dieser Vergangenheit, die nicht vergangen ist, zählt in erster Linie der Handlungsrahmen des Unternehmers, also das soziale System der Produktion, in dem er sich bewegt und bewegen muß. Darunter ist die Art und Weise zu verstehen, wie unsere Wirtschaft organisiert ist. Etwa im Finanzierungssystem, in der Führung der Unternehmen, in den industriellen Beziehungen, in der Interessenpolitik, im Binnenverhältnis der Branchen und im Ausbildungswesen, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen. Der Geist, der innerhalb dieses organisatorischen Rahmens herrscht, wird von Institutionen geprägt, die als allgemein akzeptierte Denk- und Handlungsweisen zu Spielregeln geronnen sind. Diese Institutionen galten einmal als die Kardinaltugenden deutscher Unternehmer (und auch der anderen Akteure der Wirtschaft). Heute mögen sie wenigstens noch als Sekundärtugenden durchgehen: Autonomiebewußtsein, Selbstverwaltung, Kooperationsbereitschaft und Soziabilität, also die Fähigkeit zur spontanen vertrauensvollen Zusammenarbeit. Diese institutionelle und organisatorische Konstellation nenne ich korporative Marktwirtschaft und meine eine Wirtschaft, in der weder das Individuum noch der Staat den Ton angibt. Korporative Marktwirtschaft ist in diese dichte, historisch gewachsene Landschaft von Institutionen und Organisationen gebettet, deren Akteure in der Zivilgesellschaft (den Hegelschen Korporationen) zwischen diesen beiden Polen, Individuum und Staat, zu Hause sind. Der englische Begriff der business-coordinated market economy, der auf unsere Wirtschaftsweise abzielt, verkürzt zwar ein wenig die Realität, meint aber dasselbe. Hier finden wir einen ersten, noch vagen Hinweis auf die besondere Verantwortung des Unternehmers für diese Gesellschaft.
In Deutschland verbindet sich mit diesem autonomen, selbstverwalteten Status der Wirtschaft traditionell ein hoher ethischer Anspruch an unternehmerisches Handeln. Gustav Schmoller, der führende Wirtschaftswissenschaftler des Kaiserreiches, sah gerade darin "die sittliche Bedeutung" korporativer Marktwirtschaft, "daß sie nicht durch … Börse und Spekulation, sondern durch … Einsicht in die Notwendigkeit, durch den Sieg gemeinsamer Interessen über Eigennutz und kurzfristigen Egoismus" zustandekomme. Generationen deutscher Unternehmer, von Alfred Krupp bis Berthold Beitz, von den Rathenaus bis Alfred Herrhausen, von Hans Martin Schleyer bis Reinhard Mohn haben dies cum grano salis ebenso gesehen. Anders die meisten ihrer angelsächsischen Kollegen. Unterschiedliche historische Erfahrungen vor Augen mißtrauen sie der Kraft unternehmerischer Verantwortungs-ethik. Adam Smith setzte lieber auf die unsichtbare Hand des Marktes - war er doch überzeugt, daß Kaufleute selten auch nur zu Lustbarkeiten und Zerstreuungen zusammenkämen, ohne daß ihre Unterhaltung mit einer Verschwörung gegen das Publikum ende. Smith’ Epigonen halten es heute sogar wieder mehr mit der zynischen Paradoxie der Mandevilleschen Bienenfabel, derzufolge sich selbst unmoralische Motive der Akteure über den Marktmechanismus in öffentliche Vorteile verwandeln: Nach dem Motto "Private vices, public benefits!" In Deutschland konnten sich solche Ideen bisher nicht durchsetzen – zumal sie auch in der Theorie nur unter sehr engen Voraussetzungen Gültigkeit beanspruchen können.
Die Verantwortung des Unternehmers, Spitzenmanagers oder Eigentümers von Unternehmen unterscheidet sich in der korporativen Marktwirtschaft freilich nur in einer Hinsicht von der Verantwortung anderer wirtschaftlicher Akteure. Da sich ihre Stellung im demokratischen und sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes vor allem aus ihrer engen Bindung zum Eigentum ergibt, gelten für sie in besonderer Weise die Normen des Artikels 14. Diese gewährleisten nicht nur Eigentum und Erbrecht, sondern ziehen ihnen auch Grenzen: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Die judikative Gewalt hat den Inhalt dieser Verpflichtung vielfach ausgelegt und sich dabei an der Realität des real existierenden Wirtschaftssystems orientiert. Dazu gehört das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ebenso wie die Mitbestimmung als eine diesem Wirtschaftssystem angemessene Form der Lösung des Problems asymmetrischer Wissensverteilung in den Betrieben. Das Wirtschaftssystem selbst ist nicht in der Verfassung normiert. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mehrmals – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Mitbestimmungsgesetzgebung – betont. Historisch gewachsen und "pfadabhängig" tradiert, unterliegt es allein dem institutionellen Wandel, den seine kollektiven Akteure selbst in Gang setzen. Der einzelne Unternehmer kann sich hierzulande sein Wirtschaftssystem also nicht aussuchen: Er ist auf Gedeih und Verderb mit dem sozialen System der Produktion verbunden, in dem er lebt und arbeitet, und dem er alles verdankt. Seine spezifische Verantwortung als Unternehmer liegt daher vor allem in der Verpflichtung, sein Eigentum (oder die Verfügungsgewalt über Eigentum) im Rahmen dieses Systems so zu gebrauchen, daß dessen Funktionsfähigkeit gewährleistet ist und das Ergebnis "dem Wohle der Allgemeinheit" dient.
Diese Verpflichtung des Unternehmers kann sich billigerweise nicht auf Forderungen erstrecken, konkrete Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, die gegen die Ratio des Marktes verstoßen. Der alte Grundsatz des Römischen Rechts "Ultra posse nemo obligatur" gilt auch und gerade für die Wirtschaft. Es dient offensichtlich nicht dem "Wohle der Allgemeinheit", den Beschäftigungsstand eines Unternehmens gegen den Markt hoch zu halten, um damit ein gesamtwirtschaftliches Postulat einzelwirtschaftlich einzulösen. Daß dies auf die Dauer nicht einmal im planwirtschaftlichen Rahmen funktioniert, hat uns zuletzt die Wirtschaft der DDR lebhaft vor Augen geführt. Es liegt vielmehr auch im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse, dem Unternehmer zu erlauben, seine partikularen Ziele im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung zu verfolgen und dabei der Logik einzelwirtschaftlicher Zusammenhänge Rechnung zu tragen.
Darin sind sich alle wirtschaftswissenschaftlichen Denkschulen übrigens einig – gleichgültig ob sie sich auf Adam Smith oder Friedrich List, auf Friedrich August Hayek oder Karl August Schiller berufen. Hegel hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es - aus ethischer wie aus praktischer Perspektive – allein darauf ankomme, "die Besorgung des besonderen Interesses als eines Gemeinsamen" zu verstehen, und auch in der Wolle gefärbte Liberale mögen ihm da nicht widersprechen. Umstritten ist freilich, wer das gemeinsame Interesse besorgen soll, die "unsichtbare Hand" über den Institutionen oder die "ordnende Hand" der Institutionen selbst, die den Handlungsrahmen der Unternehmer absteckt. Beide Denkschulen wollen und können auch nicht auf die Dynamik verzichten, die Akteure im Wirtschaftsprozeß auslösen, indem sie ihren eigenen Nutzenerwägungen folgen. Die Frage ist nur, ob es dem eigenen Nutzen mittel- und langfristig nicht dienlicher ist, wenn sich Akteure selbst gewisse Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit auferlegen. Sei es, um Marktbeziehungen zu stabilisieren oder um in den Genuß niedrigerer Transaktionskosten zu kommen. Welche Strategie mehr Erfolg verspricht, richtet sich im wesentlichen nach den historisch gewachsenen institutionellen Rahmenbedingungen der Wirtschaft und damit nach den jeweiligen Voraussetzungen ihrer Funktionsfähigkeit.
Wenn hier die Verantwortung des Unternehmers ansetzt, dann gilt dies für die deutsche Wirtschaft auf ganz besondere Weise. Hier ist eine Wirtschaftskultur zu Hause, die – anders als etwa in den USA – eine ebenso dichte wie bunte Landschaft von Institutionen kennt, in der für die Akteure zahlreiche - meist selbst auferlegte – Spielregeln gelten. Diese Regeln einzuhalten, fällt nicht nur, aber vor allem in die Verantwortung des Unternehmers.
Die meisten deutschen Unternehmer brauchen diese Wirtschaftskultur wie die Luft zum atmen. Die deutsche Wirtschaft hat seit mehr als 100 Jahren die Herausforderung der Verwissenschaftlichung der Produktion und der Globalisierung angenommen und sich auf lukrative Märkte konzentriert, auf denen sie heute noch außerordentlich erfolgreich ist. Es sind dies vor allem die Märkte für diversifizierte Qualitätsprodukte. Das ist nachindustrielle Maßschneiderei, wie zum Beispiel intelligente Maschinen mit individuellem Innenleben, der Anlagenbau, anwendungstechnisch veredelte Produkte aller Art, Verfahrenstechnik auf allen Gebieten oder auch hochwertige Fahrzeuge. Darin ist der deutsche Export kaum zu schlagen. Um in diesem großen und wichtigen Marktsegment wettbewerbsfähig zu sein, bedarf es eines bestimmten institutionellen Rahmens. Von wegen freier Standortwahl in der globalen Wirtschaft! Nur weil die deutsche Wirtschaft über spezifische Institutionen verfügt und damit über komparative institutionelle Kostenvorteile im Finanzierungssystem, in der Führung der Unternehmen, in den industriellen Beziehungen, in der Interessenpolitik, im Binnenverhältnis der Branchen und im Ausbildungswesen, liegt sie auf den Weltmärkten für diversifizierte Qualitätsproduktion mit an der Spitze. Und weil sie auf diesen Märkten führend ist, braucht sie diesen institutionellen Rahmen samt seinen nicht immer einfachen Regeln. Wollen sie an der Spitze bleiben, müssen sich Unternehmer wohl oder übel an sie halten. Das fällt in ihre Verantwortung.
Heute scheint dieser institutionelle Rahmen gleichwohl zur Disposition zu stehen. Nicht, daß die Bedeutung der Qualitätsproduktion abgenommen hätte. Im Gegenteil, sie wächst. Nicht, daß ihre Wettbewerbsfähigkeit schwinden würde. Im Gegenteil, sie ist kaum noch zu steigern. Die Probleme liegen wo anders. Natürlich in der Massenarbeitslosigkeit. Ein Drittel der Erwerbstätigen verfügt nur über einfache oder gar keine Qualifikationen und steht deshalb im globalen Verdrängungswettbewerb. Dagegen gibt es nur ein probates Mittel: Qualifizierung. Das braucht seine Zeit, die der Sozialstaat überbrücken hilft. Ein funktionsfähiger Sozialstaat liegt schon deshalb auch in der Verantwortung des Unternehmers – und dient seinem eigenen Interesse.
Die Kritik setzt aber auch ganz oben an. Es fehlt der deutschen Wirtschaft nach verbreiteter Meinung zwar nicht an Innovationsfähigkeit im Allgemeinen, aber doch an Neuerungskraft auf bestimmten Märkten, von denen alle Welt annimmt, sie seien die zukunftsträchtigen. An der Antwort auf die Frage, wie dieser Innovationsschwäche abgeholfen werden könnte, scheiden sich die Geister. Die einen setzen auf Reformen des bestehenden sozialen Systems der Produktion. Die anderen halten dieses System für obsolet und daher einen Neustart für zwingend. Sie plädieren dafür, das bestehende gegen ein neues Produktionsregime und neue wirtschaftliche Spielregeln auszutauschen, für die zumeist die USA als Vorbild dienen. Dies könnte auf schwachen Märkten vielleicht Abhilfe schaffen, ginge möglicherweise aber zu Lasten der Märkte für diversifizierte Qualitätsproduktion, von denen zwei Drittel der Erwerbstätigen (und der Unternehmer) sehr gut leben. Darüber ist ein heftiger Kulturkampf ausgebrochen. Unternehmer sollten sich dessen bewußt werden, um verantwortungsvoll handeln zu können.
Ich will mir nicht anmaßen, diesen Streit zu schlichten. Entscheidend ist aber, daß sich die Akteure diese Problematik ins Bewußtsein rufen, bevor sie verantwortlich entscheiden. Die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung setzt freilich voraus, daß Unternehmer ihre Rolle im sozialen System der Produktion reflektieren und in der Lage sind, ihr eigenes Nutzenkalkül darauf abzustellen. Wenn heute in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrscht, daß Unternehmer ihre Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft nicht genügend wahrnehmen, so hängt dies eng mit der Unsicherheit über den richtigen Kurs in die Neue Wirtschaft zusammen, die rasch um sich greift.
Was die deutsche Wirtschaft gegenwärtig braucht, ist deshalb ein klares Bild ihres Portfolios. Was sie leisten kann und was nicht, ist weniger von Entscheidungen der Politik (oder auch der wirtschaftlichen Eliten) abhängig, als von den historisch gewachsenen Erfahrungen auf Märkten und mit Organisationen, die als Unternehmens- oder Wirtschaftskultur die Handlungsspielräume erfolgversprechender Strategien in den Unternehmen und in der Wirtschaftspolitik abstecken. Aus der historischen Unternehmensforschung wissen wir, dass der Versuch, gegen die eigene Unternehmenskultur aus einem gewachsenen Portfolio auszubrechen, um auf schwächeren Märkten besser zu reüssieren, fehlschlagen kann und in der Vergangenheit oft genug gescheitert ist. Seit den 1990er Jahren konzentrieren sich deshalb die meisten Unternehmen auf ihr Kerngeschäft. Sie wollen ihre Stärken voll nutzen und von dieser sicheren Basis ausgehend behutsam, sozusagen auf Sicht, auch schwächere Märkte erobern. Der Deutschland AG mit ihrer mächtigen Wirtschaftskultur wäre dies auch zu empfehlen. Langfristig akkumulierte Institutionen lassen sich zwar rasch zerschlagen, neue, komparative Kostenvorteile schaffende Spielregeln und Organisationsformen der Wirtschaft aber nur langsam aufbauen. Der Erfolg einer solchen Radikaloperation bleibt immer ungewiss.
Solange das soziale System der Produktion nicht in seinem Kern versagt, bietet sich deshalb keine sinnvolle Alternative zu dem Versuch, es von in Jahrzehnten angehäuften Schlacken und Lasten zu befreien und mit neuen, nicht zuletzt auch demographischen Entwicklungen kompatibel zu halten. Dies hat den Blick der Reformer zunächst auf Versäumnisse der siebziger Jahre gelenkt, die das anachronistisch-industriellen Weltbild der "Wirtschaftswunderzeit" zu lange konserviert haben. Reformen setzen erst jetzt die Neuorientierung der Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmenspolitik an nachindustriellen Verhältnisse durch, die schon vor zwanzig, dreißig Jahren fällig war. Dabei empfiehlt sich eine Doppelstrategie, die zum einen die Handlungsfähigkeit des Systems wieder herstellt, zum anderen aber auch jedes einzelne Teilsystem auf seine Funktionsfähigkeit in nachindustrieller Zeit überprüft und gegebenenfalls modifiziert.
Mehr noch als die Verantwortung des Staates steht dabei das Verhalten der Unternehmer auf dem Prüfstand. Die Vielfalt und Dichte der institutionellen Landschaft stellt hohe Anforderungen an die Soziabilität der wirtschaftlich Handelnden. Es kommt auf ihren Willen und ihre Fähigkeit an, dieses komplexe, historisch gewachsene Netzwerk aus Regeln, Kooperationsbeziehungen und Vertrauen sinnvoll zu nutzen und als Wettbewerbsvorteil zu begreifen. Der Antrieb dazu muß von den Märkten kommen. Aus ihrer Logik ergeben sich zwingende Handlungsweisen, die das soziale System der Produktion immer wieder aufs Neue konstituieren. Dessen wirtschaftliche Grundbedingung ist offenbar noch intakt, läßt sich doch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im weltweiten Vergleich kaum bezweifeln. Das Problem liegt eher im Erstarken partikularer Interessen, die sich nicht in eine Deutschland AG inkorporieren lassen wollen und aus ihrer Sicht dafür auch Gründe haben.
Insbesondere für große Unternehmen, die als global player am Weltmarkt operieren, bietet sich die Alternative, allein auf Märkte und Hierarchien zu bauen, um flexibler zu agieren und den Gewinn kurzfristig zu maximieren. Die Entscheidung zum Ausstieg aus der korporativen Marktwirtschaft liegt dabei nicht in der Willkür der Unternehmen. In dem Maße, wie der internationale Kapitalmarkt von Regeln beherrscht wird, die eine langfristige unternehmerische Perspektive erschweren und tief in die Herrschafts- und Lenkungsverhältnisse der Unternehmen eingreifen, stehen deutsche Unternehmen vor einem Dilemma. Sollen sie die neuen Spielregeln akzeptieren und darüber den Bruch mit der eigenen Unternehmenskultur riskieren, so daß sie ihre komparativen institutionellen Vorteile auf dem Weltmarkt verlieren? Oder sollen Unternehmen ihre Stärken weiter ausbauen – und wo nötig wiederherzustellen -, auch wenn sie das Risiko laufen, auf manche Vorzüge, die der internationale Kapitalmarkt bietet, verzichten zu müssen? Für diese zweite Option spricht einiges, denn wer auf Märkten für Qualitätsproduktion operiert, ist auf "geduldiges Kapital" ebenso angewiesen, wie auf langfristig engagierte, qualifizierte Arbeit.
Da die Folgen dieser unterschiedlichen Strategien nicht nur wirtschaftlicher Art sind, sondern tief in die Lebensweise der Menschen und in die Verfassung der Gesamtgesellschaft eingreifen, können sie nicht allein der Verantwortung des Unternehmers überlassen werden. Die Wahl dieser Optionen setzt politische Grundsatzentscheidungen voraus – zumal keine der alternativen Strategien auf die Ressource Politik verzichten kann.
Unternehmer werden nur dann ihrer Verantwortung gerecht werden können, wenn sie nicht nur wissen, wie sie sich verhalten müssen, damit das System funktioniert und dies auch wollen, sondern wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit sie es auch können. Dies bringt die Politik ins Spiel, die daraus konkrete Forderungen an die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ableiten kann. In diesem Sinne gehört es zu den legitimen ordnungspolitischen Aufgabe des Staates und der Öffentlichkeit, auch die Unternehmer auf ihre Verantwortung im sozialen System der Produktion zu verpflichten. Eigentlich sollte dies eine leichte Aufgabe sein. Die Ethik der korporativen Marktwirtschaft, d.h. die Lehre vom richtigen Handeln unter den Bedingungen einer business-coordinated market economy, verlangt von ihren Protagonisten, den Unternehmern, weder Unmögliches noch etwas für sie Unvorteilhaftes. Verantwortlich handeln und Eigennutz lassen sich für sie durchaus auf einen Nenner bringen.