Wirtschaftsgeschichte Universität Bielefeld
 
 
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Notiz des Herausgebers


Die amerikanische Druckfassung des für Hermann Göring präparierten Kartenwerks gibt im Wesentlichen das deutsche Original wieder. Auf den Karten hinzugefügt wurden lediglich die englischen Namen der wichtigsten politischen und geographischen Merkmale. Die Grundstruktur der deutschen Karten, die Dislozierung der Rohstofflagerstätten und die Dokumentation der Rüstungskapazität sind offenbar mit dem deutschen Original identisch. Die Legenden zu den Karten wurden 1946 übersetzt, um dem englischsprachigen Leser die deutschen Eintragungen – wenn auch nicht immer bis in jede Einzelheit – zu erschließen. Einige der Hinweise auf den Karten beziehen sich auf das verlorengegangene Begleitheft, das offenbar nummerierte Listen der aktuellen Produktionsdaten enthielt. In den meisten Fällen lassen sich aber die Größenordnungen graphisch ablesen.

Das deutsche Original blieb trotz intensiver Recherche verschollen. In der Library of Congress, Washington, D.C., fand sich lediglich ein zweites Exemplar des amerikanischen Originals, das diesem Reprint voll entspricht. Die Suche in den Akten der Amerikanischen Miltitärregierung für Deutschland (OMGUS), die im Bundesarchiv Koblenz, im Westfälischen Wirtschaftsarchiv Dortmund und im Institut für Zeitgeschichte München eingesehen wurden, blieb ohne greifbares Ergebnis. Dagegen brachte die Durchsicht der Bestände "Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion" (R 3), "Reichswirtschaftsministerium" (R 3101) und "Beauftragter für den Vierjahresplan" (R 26 I) im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde zählbare Resultate. In den Papieren Albert Speers fanden sich umfangreiche Rohstoffbilanzen, die als Grundlage der rohstoffbezogenen Teile des Göringschen Exemplars gedient haben könnten. Dies gilt vor allem für den als "geheime Kommandosache" klassifizierten "Betriebsatlas der wichtigsten Rohstoffe, Teil I, Europa", der von der Hauptabteilung Ausland des Feldwirtschaftsamtes des Oberkommandos der Wehrmacht herausgegeben wurde. Er gibt den Stand von Dezember 1944 wieder, geht aber nicht über die im vorliegenden Atlas ausgewiesenen Daten hinaus. Eine weitere Datengrundlage könnte die Fortschreibung der vom Berliner Institut für Konjunkturforschung 1941 zusammengestellten, unveröffentlichten "Rohstoffbilanz Kontinentaleuropas unter Einschluss des europäischen Russlands und Nordafrikas" gewesen sein.

Damit sind die vorliegenden Rohstoffbilanzen der im Herrschaftsbereich der Wehrmacht liegenden wichtigsten Lagerstätten aktueller als alle veröffentlichten und kompakter als die über viele Stellen verstreuten unveröffentlichten Daten. Dies gilt auch und gerade für die kartierte Dokumentation von Dislozierung und Kapazität der bedeutendsten Rüstungsbetriebe. Dadurch wird der Göringsche Atlas zu einem einmaligen und bedeutenden Instrument der Forschung zur wirtschaftlichen Dimension des Zweiten Weltkriegs.

Bielefeld, im August 2004 Werner Abelshauser