Die Lebenswelt /Zweiter Teil Zur Übersicht Zur Synopse Zur Einzelebene Druck
Siebentes Kapitel
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... und wenn zwischen ihnen einiges Missverständnis des Standes war, so glich sich dieses gar leicht durch die Denkart der Zeit aus.
Missverständnis des Standes: eigentlich "Missverhältnis", d.h. Ottilie ist adelig, der Gehilfe nicht. Die neue Denkart meint die mit der Aufklärung wachsende Grundüberzeugung, dass man den Menschen nicht nach seinem Stand beurteilen sollte. Die Umwälzung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse unter Napoleon trug zu dieser Entwicklung zusätzlich bei. Heiraten über Standesgrenzen hinweg kamen zuerst aber in den Bildungseliten vor. Goethe selbst heiratete - wenn auch erst nach der Kriegskatastrophe von 1806 - Christiane Vulpius, Friedrich Schiller schon 1790 Charlotte von Lengefeld (thüringischer Uradel), die Kaufmannstochter Bettina Brentano 1811 Achim von Arnim, deren ältere Schwester Kunigunde 1804 den Rechtsgelehrten Carl von Savigny, der Theologe Friedrich Schleiermacher 1809 die verwitwete Henriette von Willich und so noch manche weitere Konstellation.
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»... Es gehört schon ein buntes, geräuschvolles Leben dazu, um Affen, Papageien und Mohren um sich zu ertragen.«
Die lapidare Gleichsetzung von "Mohren" mit exotischen Tieren hat etwas so Uneinsichtiges, dass man sie für die Goethezeit und gar für Goethe selbst kaum für möglich hält. Man muss sich aber nur erinnern, dass das Bekenntnis der Gleichheit für alle Menschen in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 für die Schwarzen nicht galt, weil man schlicht befand, dass sie keine Menschen seien.
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Wie gern möchte ich nur einmal Humboldten erzählen hören!
Die Äußerung bezieht sich auf die Reiseberichte Alexander von Humboldts (1769-1859), die von 1805 an überall in Europa für Aufsehen sorgten. Humboldt hatte in den Jahren davor Süd- und Mittelamerika bereist, die höchsten Berge der Anden bestiegen und beschrieb wie niemand vor ihm die Natur- und Lebensverhältnisse dieser Zonen.
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... aber das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.
Der Satz ist ein Zitat aus dem berühmten Essay on Man des britischen Philosophen Alexander Pope (1688-1744), einer Versdichtung, in der die Vollkommenheit der Schöpfung gepriesen und zumal die Stellung des Menschen in ihr auf das Höchste gefeiert wird. Voltaire verspottete mit seinem Candide (1759) Popes Botschaft, dass diese unsere Welt "die beste aller Welten" sei.