Fünftes Kapitel
Alte Gatten sollten sich nur schnell begraben lassen, damit doch wieder einmal jemand im Hause zum Lachen käme, da ihnen keine Noterben gegeben waren.
Noterben: Erben, die den Pflichtteil erhalten, also anderen Erbberechtigten nicht viel übrig lassen.
Von dem ältesten Hautelisseteppich bis zu der neusten Papiertapete, ... eins wie das andre wurde durch ihre spöttischen Bemerkungen gleichsam aufgezehrt ...
Hautelisseteppich: ein 'senkrecht gewebter' Teppich, Wandteppich mit eingewebtem Bild.
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Man suchte nun Kupferstiche nach berühmten Gemälden, man wählte zuerst den Belisar nach van Dyck.
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Der Kupferstich "Date obolum Belisario" nach van Dyck
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"Gebt Belisar eine kleine Spende". Das vermutlich von Luciano Borzone (1590-1645) stammende Gemälde wurde in einem weit verbreiteten
Kupferstich van Dyck zugeschrieben. Es zeigt den erblindeten römischen Feldherrn Belisar, der, weil in Ungnade gefallen, angeblich
als Bettler sein Leben fristen musste.
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Es war die bekannte Vorstellung von Poussin: Ahasverus und Esther.
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Ein Kupferstich des Gemäldes von Nicolas Poussin (1594-1665)
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Das Bild zeigt die in der Bibel (Buch Esther) geschilderte Szene, in der Esther unerlaubt vor ihren Gatten Ahasverus tritt, um ihn von einem geplanten Anschlag gegen ihre Glaubensbrüder, die Juden, zu unterrichten. Ihre Bestürzung veranlasst ihn, einzuschreiten und den Anstifter hinzurichten.
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Als drittes hatte man die sogenannte ›Väterliche Ermahnung‹ von Terborch gewählt, und wer kennt nicht den herrlichen Kupferstich unseres Wille von diesem Gemälde!
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Der Kupferstich der "Väterlichen Ermahnung" von Johann Georg Wille (1715-1808)
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Bemerkenswert an diesem Bild ist, dass es nach jüngerer Erkenntnis keineswegs eine 'väterliche Ermahnung' darstellt, sondern
eine Bordellszene, bei der das Mädchen das Verhandlungsobjekt ist. Der Mann hält eine Münze in seiner Hand, und auch das verhängte Bett deutet den Zusammenhang an. Ter Borch hat eine ganze Anzahl solcher Bilder gemalt, nur dass man später von dieser Thematik nichts mehr wissen wollte. Ob Goethe die wahre Bedeutung kannte, ist ungewiss. Dem Leser wird sie nicht angezeigt, und auch die handelnden Personen erkennen sie zweifellos nicht.
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... dass ein lustiger, ungeduldiger Vogel die Worte, die man manchmal an das Ende einer
Seite zu schreiben pflegt - ›Tournez s'il vous plait‹ - laut ausrief ...
Tournez s'il vous plait: 'Bitte umdrehen'! mit dem hübschen Doppelsinn, dass es eigentlich die Buchseite, hier aber die Person meint.
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»So lassen Sie es uns auf polnische Art halten! Kommen Sie nun und zehren mich auch auf! ...«
auf polnische Art: dem polnischen Adel wurde nachgesagt, in ausschweifenden Gelagen alle Vorräte eines Gastgebers aufzubrauchen und dann zu einem nächsten Gut weiterzuziehen.