Zweites Kapitel
»Es möchte noch zu wagen sein«, sagte Charlotte bedenklich, »wenn die Gefahr für uns allein wäre.
Glaubst du denn aber, dass es rätlich sei, den Hauptmann mit Ottilien als Hausgenossen zu sehen ...«
Es ist nicht recht durchschaubar, was Charlotte hier befürchtet. Eigentlich sollte sie nicht viel dagegen haben, dass der auch von ihr geschätzte
Hauptmann an Ottilie Gefallen finden könnte oder sie an ihm. Ottilie ist ein Waisenkind, mittellos, anscheinend nicht einmal besonders anziehend - müsste
Charlotte nicht sogar daran gelegen sein, ihr zu einem Ehemann zu verhelfen? Ein Standesunterschied kann nicht vorliegen, wenn der Hauptmann mit Eduard in derselben
Pension erzogen wurde und mit ihm auf Reisen war. Anders als Eduard ist er nur nicht vermögend. Später wird Charlotte ihn ja sogar selbst
für Ottilie in Erwägung ziehen (siehe
ZWEITER TEIL, ZEHNTES KAPITEL). Denkt sie hier also noch
an eine bessere Partie für sie? Oder meint sie umgekehrt, dass der Hauptmann sich reicher verheiraten sollte?
Solche Fragen werden nicht gestellt, weil Eduard, als kennte er Charlottes verborgene Gedanken, nur äußert, dass Ottilie auf ihn nicht den mindesten Eindruck gemacht hätte. Charlotte ist damit auch zufrieden und spricht über Ottilies Wirkung auf den Hauptmann weiter kein Wort mehr. Anscheinend hat sie ihn mit ihren Bedenken gar nicht gemeint.
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... so wär es für jeden andern schwer gewesen, ein Duett mit ihm durchzubringen. Aber Charlotte wusste sich darein zu finden; sie hielt
an und ließ sich wieder von ihm fortreißen und versah also die doppelte Pflicht eines guten Kapellmeisters und einer klugen Hausfrau ...
Im Gegensatz zu diesem kalkulierten Umgang mit Eduards Flötenspiel kann sich Ottilie mühelos in einer Art seelischem Gleichklang auf Eduard einstellen (siehe die Schilderung im
ACHTEN KAPITEL).