Titelbilder und Illustrationen /
Erster Teil
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Allgemeines
Goethe hat vom Bebildern dichterischer Werke grundsätzlich nichts gehalten. Für ihn war das eine Vermischung künstlerischer Formen, die zu einem wirklichen Kunstverständnis nichts beitragen konnte. "Sie werden hundertmal gehört haben", schrieb er am 23. Dezember 1797 an Schiller, "dass man nach Lesung eines guten Romans gewünscht hat, den Gegenstand auf dem Theater zu sehen, und wieviel schlechte Dramen sind daher entstanden. Ebenso wollen die Menschen jede interessante Situation gleich in Kupfer gestochen sehen, damit nur ja ihrer Imagination keine Tätigkeit übrig bleibe ... Diesen eigentlich kindischen, barbarischen, abgeschmackten Tendenzen sollte nun der Künstler aus allen Kräften widerstehn ... aber wer kann sein Schiff von den Wellen sondern, auf denen es schwimmt? Gegen Strom und Wind legt man nur kleine Strecken zurück."
Auch die Bebilderung seiner Wahlverwandtschaften hat Goethe folglich nicht abwenden können. Bereits die ersten Nachdrucke, die der Ausgabe in der Cottaischen Buchhandlung folgten, waren mit Kupferstichen versehen. Aber auch eigene Bilderreihen zu seinen Werken gab es früh. Durchlaufend illustrierte Ausgaben des Romans erschienen jedoch nur vereinzelt, nicht mehr als ein halbes Dutzend. Die Leiden des jungen Werthers sind mehr als doppelt so oft bebildert worden, und von den Werken anderer Autoren, etwa den Novellen Kleists oder Storms, gibt es über zwanzig illustrierte Ausgaben. Der Roman sprach im Großen und Ganzen nur Leserkreise an, die auf Bildbeigaben keinen Wert legten, und so wurden solche Ausgaben nicht herausgebracht.
Dafür bemächtigte sich der Film ungewöhnlich oft des Stoffes. Seit 1974 wurden die Wahlverwandtschaften in Europa sechsmal verfilmt, hauptsächlich natürlich wegen der verhängnisvollen Liebeshandlung. Sie ließ sich problemlos auch in jüngere, heutige Verhältnisse versetzen, so wenig man Goethes strenge Ehemoral dabei übernehmen konnte oder wollte. Das Schicksalhafte - richtiger: Naturbedingte - des Liebesgefühls ist in unseren westlichen Gesellschaften eben um so interessanter geworden, je weniger noch Konventionen die Partnerwahl bestimmen. - Siehe dazu die gesonderte Ebene FILME.
 
Erstes Kapitel
Sprung zur Textstelle ... und ließ ihn dergestalt niedersitzen, dass er durch Tür und Fenster die verschiedenen Bilder, welche die Landschaft gleichsam im Rahmen zeigten, auf einen Blick übersehen konnte.
Zeichnung von Philipp Grotjohann (um 1880)