Nachwort Zur Übersicht Zur Synopse Keine Druckfassung
Über die Anlage dieses Literatur-Kommentars
muss nicht viel gesagt werden, jeder, der ihn sich ansieht, wird seine Machart schnell erfassen. Sein Prinzip ist, möglichst viel von dem, was die behandelten Novellen an 'Welt' mit sich führen, in Bildern und Tönen auch wiederzugeben. Je älter ein literarisches Werk ist, desto eher kann dieser Weltanteil sich verdunkeln, und wenn dies auch nicht zur Unverständlichkeit führen muss, so kann es doch falsche Vorstellungen darüber mit sich bringen, wovon die Werke im Einzelfall sprechen.
Ein vielleicht nicht überraschendes, aber immerhin bemerkenswertes Resultat dieser Kommentierungsform ist der ganz unterschiedliche Umfang, den dieser Weltanteil in den behandelten Texten hat. Für die Novellen von Kleist und Kafka gibt es so gut wie nichts zu zeigen oder zu Gehör zu bringen, sondern es ist die darin berührte Sachwelt ganz konturlos und offensichtlich nur der Empfindungen der Hauptpersonen wegen da. Ganz anders bei Hoffmann, Storm, Hauptmann oder Thomas Mann. Hier werden immer wieder auf das Deutlichste reale Erscheinungen einbezogen, die offensichtlich nicht bloß den Personen, sondern auch dem Leser etwas sagen sollen und die sich folglich auch dokumentieren lassen. Bei Eichendorff, Droste-Hülshoff, Keller und Meyer gibt es solche Erscheinungen zwar auch, aber sie zeigen sich oft nur verschwommen, da die Autoren auf die letzte identifizierende Deutlichkeit für sie verzichten.
Die wahrnehmungslenkende Vervollständigung der Texte, die mit der Bild- und Tonkommentierung einhergeht, kann allerdings, das soll gar nicht bestritten werden, auch desillusionierend sein. Nur gilt das im Prinzip für jede Erläuterung, ja jedes Sprechen bereits über Literatur, und so lässt es sich beim öffentlichen Umgang mit solchen Werken auch nicht vermeiden. Wenn das aber so ist, dann ist es besser, das jeweils Tatsächliche zu zeigen, als sich nur in Beschreibungen zu ergehen, die auch wiederum der Vorstellung große persönliche Spielräume überlassen. Und nicht zuletzt ist der lebens- und kulturgeschichtliche Horizont, der sich hinter der Mehrzahl der Novellen in dieser Art der Kommentierung öffnet, auch für sich selbst ein Wert.
Zur Gestalt der Texte
ist zu sagen, dass ihre Wiedergabe in neuer Rechtschreibung angesichts ihrer Bestimmung für Lehr- und Unterrichtszwecke unabdingbar war. Zur besseren Lesbarkeit am Bildschirm wurden darüber hinaus bei mehreren Novellen Abschnitte mit Zwischenüberschriften eingeführt und bei Kleists "Michael Kohlhaas" auch noch eine zusätzliche Untergliederung der überlangen Absätze. Überhaupt geht der Eingriff in die übliche Textgestalt bei Kleist am weitesten, insofern hier auch noch die Interpunktion den heutigen Regel entsprechend geändert wurde. Für die Kleist-Philologie ist das ein Unding, aber was bei jedem anderen Autor dieser Zeit für Lese-Ausgaben selbstverständlich ist, weil es die Aufnahme der Texte erleichtert, sollte auch bei Kleist nicht unangebracht sein.
Über den Verfasser

- Bernd W. Seiler - ist mitzuteilen, dass er bis 2005 Professor der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld Seilers Publikationen gewesen ist und bereits die im gleichen Verlag erschienenen Kommentare zu Goethes "Werther" (2003) und Fontanes "Effi Briest" (2004) verfasst hat. Wie die früheren beruht auch der Novellen-Kommentar auf einer langen beruflichen und persönlichen Auseinandersetzung mit den betreffenden Werken, und natürlich wurde er ebenfalls nach allen Geboten wissenschaftlicher Sorgfalt und Redlichkeit erstellt. Bezüglich der Technik wurde die von Prof. Dr. Jan-Torsten Milde (Fachhochschule Fulda) für die beiden früheren CDROM-Ausgaben entwickelte HTML-Struktur übernommen und auf den vergrößerten Rahmen der zwölf Novellen übertragen. Für fachkundigen Rat in dieser Hinsicht ist Martina Dankwart zu danken.

Für den Einsatz im Unterricht
sind in den einzelnen Kommentarebenen - insbesondere in der Ebene GESTALTUNG - immer wieder Einzelvorschläge gemacht. Sie erfassen sicherlich nicht alle Möglichkeiten, die das aufgenommene Material bietet, und umgekehrt wird sich je nach Voraussetzungen und Absichten auch nicht jeder Vorschlag zur Umsetzung im Unterricht eignen. Was aber immer hoffentlich gewährleistet ist: dass die Beschäftigung mit diesem Kommentar Anregungen genug bietet, sich mit den behandelten Werken selbst näher zu befassen. Denn das sollte bei aller Ausführlichkeit der Kommentierung nicht vergessen werden: das Wichtigste bleibt, die Novellen auch zu lesen.
Bielefeld, im April 2007
Bernd W. Seiler