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Herr Spinell saß der Gattin Herrn Klöterjahns bei Tische gegenüber. Zur ersten Mahlzeit, an der die Herrschaften teilnahmen, erschien er ein wenig zu spät in dem großen Speisesaal im Erdgeschoss des Seitenflügels, sprach mit weicher Stimme einen an alle gerichteten Gruß und begab sich an seinen Platz, worauf Doktor Leander ihn ohne viel Zeremonie den neu Angekommenen vorstellte. Er verbeugte sich und begann dann, offenbar ein wenig verlegen, zu essen, indem er Messer und Gabel mit seinen großen, weißen und schön geformten Händen, die aus sehr engen Ärmeln hervorsahen, in ziemlich affektierter Weise bewegte. Später ward er frei und betrachtete in Gelassenheit abwechselnd Herrn Klöterjahn und seine Gattin. Auch richtete Herr Klöterjahn im Verlaufe der Mahlzeit einige Fragen und Bemerkungen betreffend die Anlage und das Klima von 'Einfried' an ihn, in die seine Frau in ihrer lieblichen Art zwei oder drei Worte einfließen ließ, und die Herr Spinell höflich beantwortete. Seine Stimme war mild und recht angenehm; aber er hatte eine etwas behinderte und schlürfende Art zu sprechen, als seien seine Zähne der Zunge im Wege.

Nach Tische, als man ins Konversationszimmer hinübergegangen war und Doktor Leander den neuen Gästen im
Besonderen eine gesegnete Mahlzeit wünschte, erkundigte sich Herrn Klöterjahns Gattin nach ihrem Gegenüber.

»Wie heißt der Herr?«, fragte sie ... »Spinelli? Ich habe den Namen nicht verstanden.«

»Spinell ... nicht Spinelli, gnädige Frau. Nein, er ist kein Italiener, sondern bloß aus
Lemberg gebürtig, soviel ich weiß ...«

»Was sagten sie? Er ist Schriftsteller? Oder was?«, fragte Herr Klöterjahn; er hielt
die Hände in den Taschen seiner bequemen englischen Hose, neigte sein Ohr dem Doktor zu und
öffnete, wie manche Leute pflegen, den Mund beim Horchen.

»Ja, ich weiß nicht, - er schreibt ... «, antwortete Doktor Leander. »Er hat,
glaube ich, ein Buch veröffentlicht, eine Art
Roman, ich weiß wirklich nicht ...«

Dieses wiederholte »Ich weiß nicht« deutete an, dass Doktor Leander
keine großen Stücke auf den Schriftsteller hielt und jede Verantwortung für ihn ablehnte.

»Aber das ist ja sehr interessant!«, sagte Herrn Klöterjahns Gattin. Sie hatte
noch nie einen Schriftsteller von Angesicht zu Angesicht gesehen.

»O ja«, erwiderte Doktor Leander entgegenkommend. »Er soll sich eines gewissen
Rufes erfreuen ... « Dann wurde nicht mehr von dem Schriftsteller gesprochen.

Aber ein wenig später, als die neuen Gäste sich zurückgezogen hatten und Doktor
Leander ebenfalls das Konversationszimmer verlassen wollte, hielt Herr Spinell ihn zurück
und erkundigte sich auch seinerseits.

»Wie ist der Name des Paares?«, fragte er ... »Ich habe natürlich
nichts verstanden.«

»Klöterjahn«, antwortete Doktor Leander und ging schon wieder. »Wie
heißt der Mann?«, fragte Herr Spinell ...

»
Klöterjahn heißen sie!«, sagte Doktor Leander und ging
seiner Wege. - Er hielt gar keine großen Stücke auf den Schriftsteller.