Viertes Kapitel
Der Admiral mochte damals fünfzig Jahre zählen, aber seine Haare waren schneeweiß und eine fieberische
Röte durchglühte die abgezehrten Wangen.
In dem Roman von Prosper Merimée wird Coligny so beschrieben (S. 69):
Er war sehr einfach und ganz schwarz gekleidet. Sein Wuchs war hoch, aber etwas gewölbt und die Strapazen des Kriegs
hatten auf seiner kahlen Stirne mehr Furchen gezogen als die Jahre. Ein langer weißer Bart wallte auf seine Brust herab. Seine von Natur
eingefallenen Wangen schienen es noch mehr wegen einer Wunde, deren hohle Narbe kaum durch seinen langen Schnurrbart verdeckt wurde ... Bei dem
Anblick dieses großen Mannes, der für seine Glaubensgenossen mehr als ein König war - denn in seiner Person vereinigten sich ein Held
und ein Heiliger - fühlte sich [Bernhard von] Mergy von solcher Verehrung durchdrungen, daß er hinangehend ein Knie zur Erde beugte.
Er schaute wie ein Richter in Israel.
Das alttestamentliche 'Buch der Richter' nennt eine Reihe von Richtern als Führer des Volkes Israel und schildert, wie sie
dieses Volk zum rechten Glauben zu erziehen versuchten.
Michelet in der "Histoire de France" spricht in Bd. 11, S. 380 von 'diesem Haupt eines Richters in Israel'.
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... den Titel des Folianten aufblätternd fragte er mich: "Wisst Ihr, was ich da lese? ..." Ich las in lateinischer Sprache: 'Die
Geographie des Ptolemäus, herausgegeben von Michael Servetus.'
Die aus dem 2. Jahrhundert stammende Geographie des Griechen Ptolemäus ist die wichtigste Welt- und Kosmos-Darstellung des Altertums
und bestimmte bis zu Kopernikus das Weltbild des Abendlandes. Der spanische Gelehrte Michael Servet (1511-1553) gab sie 1535 und 1541
in Lyon neu heraus. Als 'Foliant' - im Buchformat Folio - war die Ausgabe 45 cm hoch und 30 cm breit.
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Die Titelseite der Ptolemäus-Ausgabe von Michael Servet
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In der kleinen Druckschrift, die der Admiral über seine Verteidigung von St. Quentin veröffentlicht hatte und die ich auswendig wusste ...
Colignys Memoiren mit dem Titel "Mémoires sur ce qui se passa au siège de Saint-Quentin" erschienen erst 1643,
also lange nach seinem Tod, und enthalten nichts zu seinem Übertritt zum Protestantismus.
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Der Pater auf der Kanzel, ein junger blasser Franziskanermönch mit südlich feurigen Augen und zuckendem Mienenspiel, gebärdete
sich so seltsam heftig, dass er mir erst ein Lächeln abnötigte ...
In J. Michelets "Histoire de France" (S. 411f.) heißt es über Panigarola:
Aber der heftigste von allen, ein redegewaltiger, feuriger, geistvoller Prediger, ein eindringlicher Schauspieler, ein flammender Redner,
war der Franziskaner Panigarola, von dessen Wirkung schon gesprochen wurde. Er war ein junger Milanese, der ein ungezügeltes
Leben führte und durch ein zweifelhaftes, übles Duell bekannt geworden war, aus dem er nicht eben strahlend hervorging, bevor er die
Franziskanerkutte anlegte. Pius V., der gewalttätigste unter den Päpsten, der unerschütterlich massakrierte und in allen
seinen Briefen das Metzeln vertritt, hörte Panigarola und glaubte, dass dieser fürchterliche Schauspieler der einzig würdige
Vertreter dieser Sache war. Er tat für ihn, was man einst für Loyola getan hatte. Er schickte ihn als Studenten nach Paris.
Der Student aber lehrte; seine donnernde Lehre lehrte das Gemetzel und predigte das Werk des Blutes.
(Übersetzt von Ulrich Krafft)
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Wenn dich dein Auge ärgert, so reiße es aus! Wenn dich deine rechte Hand ärgert, so haue sie ab und wirf sie von dir,
denn, siehe, es ist dir besser, dass eines deiner Glieder verderbe, als dass dein ganzer Leib in das nie verlöschende Feuer
geworfen werde!
Nach dem Evangelium des Matthäus (Kapitel 5, Vers 29) sind das Worte von Jesus Christus zum Thema Ehebruch und der - vielleicht durch
das Auge oder die Hand - ausgelösten Neigung dazu.
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Nachdem der Italiener seine Rede mit einer Handbewegung geschlossen, die mir eher einer Fluchgebärde als einem Segen
zu gleichen schien, begann das Volk in dichtem Gedränge aus der Pforte zu strömen ...
Eine ähnliche Brandpredigt hält in Merimées Roman ein Pater Lubin, und auch hier wird beim Verlassen der Kirche
erstmals der Duellgegner Comminges von dem Hugenotten Bernhard von Mergy in den Blick genommen - als Begleiter der Gräfin von Turgis.
Es heißt dort (S. 66):
Mergy hatte kaum Zeit, einen Blick auf die Gräfin zu werden. Ohne sich eine deutliche Vorstellung von ihre Zügen
machen zu können, hatten diese doch eines großen Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; Comminges aber war ihm unaussprechlich
widerwärtig geworden, ohne daß er sich von dem Warum Rechenschaft zu geben wußte. ... Wenn nun, dachte er, die schöne
Gräfin zufällig einen aus dieser Menge liebte, so würde der Verhaßte Comminges ihn umbringen; er hat geschworen, Jeden,
den sie liebt, zu tödten. Unwillkürlich legte er die Hand an seinen Degengriff ...