Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen
Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, dass ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurteils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Waagschal, nimmer dir erlaubt!
Lass ruhn den Stein - er trifft dein eignes Haupt! -
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[Erster Teil: Friedrich Mergels Kindheit]

Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten Halbmeiers
oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und
rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische
Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich
merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen, dem es angehörte, war damals einer jener
abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein
fremdes Gesicht Aufsehen erregte und eine Reise von dreißig Meilen selbst den
Vornehmeren zum Ulysses seiner Gegend machte - kurz, ein Fleck, wie es deren sonst
so viele in Deutschland gab, mit all den Mängeln und Tugenden, all der Originalität
und Beschränktheit, wie sie nur in solchen Zuständen gedeihen. Unter höchst einfachen
und häufig unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner von Recht und
Unrecht einigermaßen in Verwirrung geraten, oder vielmehr, es hatte sich neben dem
gesetzlichen ein zweites Recht gebildet, ein Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit
und der durch Vernachlässigung entstandenen Verjährung. Die Gutsbesitzer, denen die
niedere Gerichtsbarkeit zustand, straften und belohnten nach ihrer in den meisten
Fällen redlichen Einsicht; der Untergebene tat, was ihm ausführbar und mit einem
etwas weiten Gewissen verträglich schien, und nur dem Verlierenden fiel es zuweilen
ein, in alten staubichten Urkunden nachzuschlagen.

Es ist schwer, jene Zeit unparteiisch ins Auge zu fassen; sie ist seit ihrem
Verschwinden entweder hochmütig getadelt oder albern gelobt worden, da den, der
sie erlebte, zuviel teure Erinnerungen blenden und der Spätergeborene sie nicht
begreift. Soviel darf man indessen behaupten, dass die Form schwächer, der Kern
fester, Vergehen häufiger, Gewissenlosigkeit seltener waren. Denn wer nach seiner
Überzeugung handelt, und sei sie noch so mangelhaft, kann nie ganz zugrunde gehen,
wogegen nichts seelentötender wirkt, als gegen das innere Rechtsgefühl das äußere
Recht in Anspruch nehmen.

Ein Menschenschlag, unruhiger und unternehmender als alle seine Nachbarn, ließ
in dem kleinen Staate, von dem wir reden, manches weit greller hervortreten als
anderswo unter gleichen Umständen. Holz- und Jagdfrevel waren an der Tagesordnung,
und bei den häufig vorfallenden Schlägereien hatte sich jeder selbst seines
zerschlagenen Kopfes zu trösten. Da jedoch große und ergiebige Waldungen den
Hauptreichtum des Landes ausmachten, ward allerdings scharf über die Forsten gewacht,
aber weniger auf gesetzlichem Wege als in stets erneuten Versuchen, Gewalt und
List mit gleichen Waffen zu überbieten.

Das Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen
Fürstentums. Seine Lage inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit mochte schon
früh den angeborenen Starrsinn der Gemüter nähren; die Nähe eines Flusses, der
in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz
bequem und sicher außer Land zu führen, trug sehr dazu bei, die natürliche Kühnheit
der Holzfrevler zu ermutigen, und der Umstand, dass alles umher von Förstern wimmelte,
konnte hier nur aufregend wirken, da bei den häufig vorkommenden Scharmützeln der
Vorteil meist aufseiten der Bauern blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich
aus in den schönen Mondnächten mit ungefähr doppelt soviel Mannschaft jedes Alters,
vom halbwüchsigen Knaben bis zum siebzigjährigen Ortsvorsteher, der als erfahrener
Leitbock den Zug mit gleich stolzem Bewusstsein anführte, als er seinen Sitz in der
Gerichtsstube einnahm. Die Zurückgebliebenen horchten sorglos dem allmählichen
Verhallen des Knarrens und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und schliefen sacht
weiter. Ein gelegentlicher Schuss, ein schwacher Schrei ließen wohl einmal eine
junge Frau oder Braut auffahren; kein anderer achtete darauf. Beim ersten Morgengrau
kehrte der Zug ebenso schweigend heim, die Gesichter glühend wie Erz, hier und dort
einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht in Betracht kam, und nach ein paar
Stunden war die Umgegend voll von dem Missgeschick eines oder mehrerer Forstbeamten,
die aus dem Walde getragen wurden, zerschlagen, mit Schnupftabak geblendet und für
einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nachzukommen.

In diesen Umgebungen ward Friedrich Mergel geboren, in einem Hause, das durch die
stolze Zugabe eines Rauchfangs und minder kleiner Glasscheiben die Ansprüche seines
Erbauers sowie durch seine gegenwärtige Verkommenheit die kümmerlichen Umstände des
jetzigen Besitzers bezeugte. Das frühere Geländer um Hof und Garten war einem
vernachlässigten Zaune gewichen, das Dach schadhaft, fremdes Vieh weidete auf den
Triften, fremdes Korn wuchs auf dem Acker zunächst am Hofe, und der Garten enthielt,
außer ein paar holzichten Rosenstöcken aus besserer Zeit, mehr Unkraut als Kraut.
Freilich hatten Unglücksfälle manches hiervon herbeigeführt; doch war auch viel
Unordnung und böse Wirtschaft im Spiel. Friedrichs Vater, der alte Hermann Mergel,
war in seinem Junggesellenstande ein sogenannter ordentlicher Säufer, das heißt
einer, der nur an Sonn- und Festtagen in der Rinne lag und die Woche hindurch so
manierlich war wie ein anderer. So war denn auch seine Bewerbung um ein recht
hübsches und wohlhabendes Mädchen ihm nicht erschwert. Auf der Hochzeit ging's
lustig zu. Mergel war gar nicht so arg betrunken, und die Eltern der Braut gingen
abends vergnügt heim; aber am nächsten Sonntage sah man die junge Frau schreiend
und blutrünstig durchs Dorf zu den Ihrigen rennen, alle ihre guten Kleider und
neues Hausgerät im Stich lassend. Das war freilich ein großer Skandal und Ärger
für Mergel, der allerdings Trostes bedurfte. So war denn auch am Nachmittage keine
Scheibe an seinem Hause mehr ganz, und man sah ihn noch bis spät in die Nacht vor
der Türschwelle liegen, einen abgebrochenen Flaschenhals von Zeit zu Zeit zum Munde
führend und sich Gesicht und Hände jämmerlich zerschneidend. Die junge Frau blieb
bei ihren Eltern, wo sie bald verkümmerte und starb. Ob nun den Mergel Reue quälte
oder Scham, genug, er schien der Trostmittel immer bedürftiger und fing bald an,
den gänzlich verkommenen Subjekten zugezählt zu werden.

Die Wirtschaft verfiel; fremde Mägde brachten Schimpf und Schaden; so verging
Jahr auf Jahr. Mergel war und blieb ein verlegener und zuletzt ziemlich armseliger
Witwer, bis er mit einem Male wieder als Bräutigam auftrat. War die Sache an und
für sich unerwartet, so trug die Persönlichkeit der Braut noch dazu bei, die
Verwunderung zu erhöhen. Margreth Semmler war eine brave, anständige Person, so
in den Vierzigen, in ihrer Jugend eine Dorfschönheit und noch jetzt als sehr klug
und wirtlich geachtet, dabei nicht unvermögend; und so musste es jedem unbegreiflich
sein, was sie zu diesem Schritte getrieben. Wir glauben den Grund eben in dieser
ihrer selbstbewussten Vollkommenheit zu finden. Am Abend vor der Hochzeit soll sie
gesagt haben: »Eine Frau, die von ihrem Manne übel behandelt wird, ist dumm oder
taugt nicht: wenn's mir schlecht geht, so sagt, es liege an mir.« Der Erfolg zeigte
leider, dass sie ihre Kräfte überschätzt hatte. Anfangs imponierte sie ihrem Manne;
er kam nicht nach Haus oder kroch in die Scheune, wenn er sich übernommen hatte;
aber das Joch war zu drückend, um lange getragen zu werden, und bald sah man ihn
oft genug quer über die Gasse ins Haus taumeln, hörte drinnen sein wüstes Lärmen
und sah Margreth eilends Tür und Fenster schließen. An einem solchen Tage -
keinem Sonntage mehr - sah man sie abends aus dem Hause stürzen, ohne Haube und
Halstuch, das Haar wild um den Kopf hängend, sich im Garten neben ein Krautbeet
niederwerfen und die Erde mit den Händen aufwühlen, dann ängstlich um sich schauen,
rasch ein Bündel Kräuter brechen und damit langsam wieder dem Hause zugehen, aber
nicht hinein, sondern in die Scheune. Es hieß, an diesem Tage habe Mergel zuerst
Hand an sie gelegt, obwohl das Bekenntnis nie über ihre Lippen kam.

Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne - man kann nicht sagen -
erfreut; denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte. Dennoch,
obwohl unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein gesundes hübsches Kind,
das in der frischen Luft kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach
Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte
sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward das
Lärmen im Hause geringer.

Friedrich stand in seinem neunten Jahre. Es war um das Fest der Heiligen Drei
Könige, eine harte, stürmische Winternacht. Hermann war zu einer Hochzeit gegangen
und hatte sich schon beizeiten auf den Weg gemacht, da das Brauthaus dreiviertel
Meilen entfernt lag. Obgleich er versprochen hatte, abends wiederzukommen, rechnete
Frau Mergel doch um so weniger darauf, da sich nach Sonnenuntergang dichtes
Schneegestöber eingestellt hatte. Gegen zehn Uhr schürte sie die Asche am Herde
zusammen und machte sich zum Schlafengehen bereit. Friedrich stand neben ihr,
schon halb entkleidet, und horchte auf das Geheul des Windes und das Klappen
der Bodenfenster.

»Mutter, kommt der Vater heute nicht?«, fragte er. - »Nein, Kind, morgen.« -
»Aber warum nicht, Mutter? Er hat's doch versprochen.« - »Ach Gott, wenn der
alles hielte, was er verspricht! Mach, mach voran, dass du fertig wirst!«

Sie hatten sich kaum niedergelegt, so erhob sich eine Windsbraut, als ob sie das
Haus mitnehmen wollte. Die Bettstatt bebte, und im Schornstein rasselte es wie
ein Kobold. - »Mutter - es pocht draußen!« - »Still, Fritzchen, das ist das
lockere Brett im Giebel, das der Wind jagt.« - »Nein, Mutter, an der Tür!« -
»Sie schließt nicht; die Klinke ist zerbrochen. Gott, schlaf doch! Bring mich
nicht um das armselige bisschen Nachtruhe.« - »Aber wenn nun der Vater kommt?« -
Die Mutter drehte sich heftig im Bett um. - »Den hält der Teufel fest genug!« -
»Wo ist der Teufel, Mutter?« - »Wart, du Unrast! Er steht vor der Tür und will
dich holen, wenn du nicht ruhig bist!«

Friedrich ward still; er horchte noch ein Weilchen und schlief dann ein. Nach
einigen Stunden erwachte er. Der Wind hatte sich gewendet und zischte jetzt
wie eine Schlange durch die Fensterritze an seinem Ohr. Seine Schulter war
erstarrt; er kroch tief unters Deckbett und lag aus Furcht ganz still. Nach
einer Weile bemerkte er, dass die Mutter auch nicht schlief. Er hörte sie weinen
und mitunter: »Gegrüßt seist du, Maria!« und »bitte für uns arme Sünder!« Die
Kügelchen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht hin. - Ein unwillkürlicher
Seufzer entfuhr ihm. - »Friedrich, bist du wach?« - »Ja, Mutter.« - »Kind, bete
ein wenig - du kannst ja schon das halbe Vaterunser - dass Gott uns bewahre vor
Wasser- und Feuersnot.«

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannigfache
Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas
Lebendiges drinnen sein und draußen auch. »Hör, Mutter, gewiss, da sind Leute,
die pochen.« - »Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht
klappert.« - »Hör! hörst du nicht? Es ruft! Hör doch!«

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach.
Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: »Margreth! Frau
Margreth, heda, aufgemacht!« - Margreth stieß einen heftigen Laut aus: »Da bringen
sie mir das Schwein wieder!«

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen.
Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über
die Tenne gehen. Margreth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel
und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich
etwas zu suchen. Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten
die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte,
sie sei tot; er erhob ein fürchterliches Geschrei, worauf ihm jemand eine Ohrfeige gab,
was ihn zur Ruhe brachte, und nun begriff er nach und nach aus den Reden der Umstehenden,
dass der Vater von Ohm Franz Semmler und dem Hülsmeyer tot im Holze gefunden sei und
jetzt in der Küche liege.

Sobald Margreth wieder zur Besinnung kam, suchte sie die fremden Leute loszuwerden.
Der Bruder blieb bei ihr, und Friedrich, dem bei strenger Strafe im Bett zu bleiben
geboten war, hörte die ganze Nacht hindurch das Feuer in der Küche knistern und ein
Geräusch wie von Hin- und Herrutschen und Bürsten. Gesprochen ward wenig und leise,
aber zuweilen drangen Seufzer herüber, die dem Knaben, so jung er war, durch Mark und
Bein gingen. Einmal verstand er, dass der Oheim sagte: »Margreth, zieh dir das nicht
zu Gemüt; wir wollen jeder drei Messen lesen lassen, und um Ostern gehen wir zusammen
eine Bittfahrt zur Mutter Gottes von Werl.«

Als nach zwei Tagen die Leiche fortgetragen wurde, saß Margreth am Herde, das Gesicht
mit der Schürze verhüllend. Nach einigen Minuten, als alles still geworden war, sagte
sie in sich hinein: »Zehn Jahre, zehn Kreuze! Wir haben sie doch zusammen getragen,
und jetzt bin ich allein!« Dann lauter: »Fritzchen, komm her!« - Friedrich kam scheu
heran; die Mutter war ihm ganz unheimlich geworden mit den schwarzen Bändern und den
verstörten Zügen. »Fritzchen«, sagte sie, »willst du jetzt auch fromm sein, dass ich
Freude an dir habe, oder willst du unartig sein und lügen, oder saufen und stehlen?« -
»Mutter, Hülsmeyer stiehlt.« - »Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den Rücken
kommen? Wer sagt dir so schlechtes Zeug?« - »Er hat neulich den Aaron geprügelt und
ihm sechs Groschen genommen.« - »Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der verfluchte
Jude gewiss zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher angesessener Mann,
und die Juden sind alle Schelme.« - »Aber, Mutter, Brandis sagt auch, dass er Holz
und Rehe stiehlt.« - »Kind, Brandis ist ein Förster.« - »Mutter, lügen die Förster?«

Margreth schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Höre, Fritz, das Holz lässt unser
Herrgott frei wachsen, und das Wild wechselt aus eines Herren Lande in das andere;
die können niemand angehören. Doch das verstehst du noch nicht; jetzt geh in den
Schuppen und hole mir Reisig.«

Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und
fürchterlich ausgesehen haben soll. Aber davon erzählte er nie und schien ungern
daran zu denken. Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen
gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt wie die
Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles Übrige verhärtet scheint, und bei
Friedrich wuchs dieses Gefühl mit den Jahren durch das Gefühl mancher Zurücksetzung
vonseiten anderer. Es war ihm äußerst empfindlich, wenn, solange er Kind war, jemand
des Verstorbenen nicht allzu löblich gedachte; ein Kummer, den ihm das Zartgefühl
der Nachbarn nicht ersparte. Es ist gewöhnlich in jenen Gegenden, den Verunglückten
die Ruhe im Grabe abzusprechen. Der alte Mergel war das Gespenst des Brederholzes
geworden; einen Betrunkenen führte er als Irrlicht bei einem Haar in den Zellerkolk;
die Hirtenknaben, wenn sie nachts bei ihren Feuern kauerten und die Eulen in den
Gründen schrien, hörten zuweilen in abgebrochenen Tönen ganz deutlich dazwischen
sein »Hör mal an, feins Liseken«, und ein unprivilegierter Holzhauer, der unter
der breiten Eiche eingeschlafen und dem es darüber Nacht geworden war, hatte
beim Erwachen sein geschwollenes Gesicht durch die Zweige lauschen sehen. Friedrich
musste von andern Knaben vieles darüber hören; dann heulte er, schlug um sich, stach
auch einmal mit seinem Messerchen und wurde bei dieser Gelegenheit jämmerlich
geprügelt. Seitdem trieb er seiner Mutter Kühe allein an das andere Ende des Tales,
wo man ihn oft stundenlang in derselben Stellung im Grase liegen und den Thymian aus
dem Boden rupfen sah.