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Während in Romanen die 'Begleitung' des Lebens durch Melodien
meistens unter den Tisch fällt (einfach wegen der Schwierigkeit,
von Musik anschaulich zu erzählen), kommt in den Lesmona-Briefen
dieser Teil der Lebenserfahrung wirklichkeitsgerecht vor. Zumal in der
Zeit mit Percy berichtet Magda immer wieder von Musikerlebnissen. Wie
alle in seiner Familie ist Percy hochmusikalisch, hat eine
schöne Stimme und spielt Klavier. Drei Musikstücke haben
dabei eine besondere, fast schon leitmotivische Bedeutung: ein Schlager,
ein Walzer und ein Lied von Schubert.
1. Daisy Dieses Lied, so teilt sie im Mai 1894 mit, singe Percy von früh bis spät. Es ertöne auch in London derzeit aus allen Fenstern, oben von den Bussen, auf den Straßen, in den Restaurants. Es sei der "dernier cri" von London, ein Schlager also, und sie schreibt Bertha den Text (nicht immer ganz richtig) auf. Der Inhalt der drei Strophen: Die Heirat eines Mädchens, dem statt der Fahrt mit einer Kutsche nur die Fahrt auf einem Tandem angeboten werden kann, welche jedoch - unter allerlei sexuellen Anspielungen - das wahre Glück verspricht. Refrain: | |
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Dem Lied entsprechend nennt er sie dann auch Daisy, sie sei genau
der Typ, den er sich unter diesem Namen vorgestellt habe. - Zwei Jahre
später erwähnt sie, daß das Lied jetzt auch in Bremen
Mode geworden sei, die Jungen pfiffen es auf der Straße. Zwei
Jahre "Laufzeit" für den Weg von London nach Bremen - das ist
gar nicht einmal so viel, wenn man bedenkt, daß es damals für
die Verbreitung von Musik nur die Noten und den "Tonträger" Mensch gab.
Die Bekanntheit des Liedes in der angelsächsischen Welt zeigte sich wieder in Stanley Kubricks Film "Odyssee 2001" (1968). Der Computer HAL 9000 singt es bei seinem Abschalten, weil es das erste Lied war, das einige Jahre zuvor einem Computer per Programmierung beigebracht worden war (in der deutschen Fassung des Filmes durch "Hänschen klein" ersetzt). als MP3-Datei zu 2,7 MB eine Aufnahme von 1931 Text und Melodie von Harry Dacre (1892), gesungen von Gerald Adams und den Variety Singers. 2. G'schichten aus dem Wiener WaldDas erste Mal genannt wird der Walzer von Johann Strauß Sohn (1825-1899) - einer der späten, op. 325 - im Juni 1894 im Zusammenhang mit dem "Volksball" in Vegesack. Magda nennt ihn fortan für das Tanzen mit Percy "unseren" Walzer und erwähnt ihn ein letztes Mal im Juni 1895 in einem Brief aus London. als MP3-Datei zu 201 KB ein Melodiestück Peter Falk und das Orchester der Wiener Volksoper; PILZ MEDIA GROUP KG, Kreuzberg. 3. An SilviaFür Onkel Hermann singt Percy bevorzugt Lieder von Schubert und Schumann, darunter auch das 1826 komponierte An Silvia von Franz Schubert (1797-1828). Der Text stammt aus Shakespeares Komödie Die beiden Veroneser (IV. Akt, 2. Szene), übersetzt von Eduard von Bauernfeld. (1. Strophe: "Was ist Silvia, saget an, /daß sie die weite Flur preist? / Schön und zart seh ich sie nah'n: / auf Himmels Gunst und Spur weist, /daß ihr alles untertan.") Aus Magdas Brief von Ende Juni 1894: ... er sang das schönste Lied, das ich je gehört habe, und er begleitete sich selbst mit solch hinreißendem Schwung. Als er fertig war, sagte Onkel H. geradezu ergriffen: "Mein Gott, Percy, das hast Du ja ganz göttlich gesungen, und es ist ja ganz wunderbar, daß du dich auch so begleiten kannst. Du mußt es aber jetzt noch ein zweites Mal singen." Dieses zweite Mal sang er das Lied nicht an Sylvia, sondern an Daisy. Die ersten Worte heißen: "Was ist Silvia, saget an", so sang er: "Was ist Daisy, saget an". Auch bei ihrem Aufenthalt in London ein Jahr später hört sie Percy das Lied wiederum singen. als MP3-Datei zu 223 KB ein Melodiestück Dietrich Fischer-Dieskau /Bariton und Gerald Moore /Piano; POLYDOR INTERNATIONAL GMBH, Hamburg. | |